Sie befinden sich hierNechustan — Kreuz oder Pfahl?

Nechustan — Kreuz oder Pfahl?


By Geier - Posted on 03 März 2010

3. März 2010

 

 

Mein ikonoklastischer Artikel »Bild des Unsichtbaren« zu Kol. 1, 15 hat einen Leser zu der Frage veranlaßt:

»Wie stehst du dazu, daß das Kreuz als Zeichen für das Christentum in allen Denominationen gilt? Ist ein Aufhängen eine Kreuzes oder ein Kreuz auf dem Gipfel eines Berges auch Götzendienst? … Die Frage ist doch vielmehr, ob ich ein Kreuz … als Amulett oder Glücksbringer trage oder lediglich als Symbol. Falls ein Kreuz auch in seinem symbolischen Aspekt nicht tolerierbar ist müsste dieses eigentlich überall verschwinden.«

Zur Antwort nachfolgend ein älterer Artikel, der bisher nicht hier erschienen war:

 


Die Fragestellung, der wir konsequenterweise nachgehen müßten heißt: Kann es im Neuen Bund überhaupt so etwas wie gegenständliche Symbole geben? Wenn wir allein das Zeugnis der Schrift betrachten und geschichtliche Einflüsse außer acht lassen, dann werden wir diese Frage ohne den Schatten eines Zweifels mit Nein beantworten.

Dies trifft auch und gerade auf das Kreuz zu. Strenggenommen spricht das Griechisch des NT ohnehin von einem Pfahl (stauros), also ohne Querbalken, auch wenn wir uns das nach 2000 Jahren Kirchengeschichte kaum noch vorstellen können.

Kreuz oder Pfahl — das ist ja eigentlich nicht heilsentscheidend, es bleibt, daß Jesus unsere Verfehlungen an das Fluchholz hinaufgetragen hat. Ich habe aber doch festgestellt, daß die Beantwortung dieser Frage nicht unerheblich ist für unseren Umgang mit dem Wort Gottes. Fakt ist: Wo immer das Wort σταυρος (stauros) im Griechischen auftaucht, stellt es einen einfachen, geraden Pfahl dar. Trotzdem tragen die meisten deutschen Übersetzungen dem nicht Rechnung, indem sie stauros mit Kreuz wiedergeben. Sie tragen ihre historisch begründete Vermutung, daß es sich bei dem Hinrichtungsinstrument der Römer um ein Kreuz gehandelt haben müsse, in die Übersetzung hinein. Das ist aber unangemessen in Bezug auf Gottes Wort: Als wahr gilt bei dieser Betrachtungsweise in der Schrift nur noch das, was mit unserer angelernten Weltsicht übereinstimmt. Wenn die Bibel also z. B. sagt, daß Joschua Sonne und Mond zum Stillstand gebracht hat (Jos. 10, 13), die Wissenschaft — wenn auch erst seit wenigen hundert Jahren — aber behauptet, daß die Erde sich um die Sonne drehe und deshalb, wenn überhaupt, die Erde stillgestanden haben müsse — wem glauben wir? Wer seine Weltsicht dem Wort Gottes überordnet, wird biblische Wahrheit bald nur noch selektiv wahrnehmen können und wohl auch wollen.

Besonders problematisch ist die Stilisierung des Kreuzes zu einem Glaubenssymbol. Die Schrift belehrt uns, daß der Glaube[G] aus dem Hören kommt, nicht aus dem Sehen: »Demnach ist der Glaube aus dem Hören, das Hören aber aus dem Reden des Christos.« (Röm. 10, 17) Dieses Reden ist die einzige Glaubensgrundlage, die dem Christen gegeben ist. Hierdurch gerade unterscheidet sich ja Christentum von den Religionen. Dies aber ist dem menschlichen Wesen zuwider, das sich lieber greifbarere Zeichen vor Augen halten möchte als die Zusagen eines (obendrein unsichtbaren) Gottes. So gibt es immer wieder Versuche, dem Wort Gottes ergänzend beizuspringen — durch Symbole, kultische Handlungen, festgeschriebene Liturgien, Bilder, repräsentative Gebäude, Altäre und sonstige Hilfsmittelchen, um der Seele etwas sichtbare Identifikation anzubieten. Um es ohne Umschweife zu sagen: All diese Dinge sind Hinzufügungen zum Wort Gottes und einem Christen nicht erlaubt. Während das Wort vom Pfahl den Geretteten Gottes Kraft ist (1. Kor. 1, 18), ist das Kreuz als Bildwerk, das an der Wand oder um den Hals des Glaubenden hängt, der erste Schritt in Richtung Götzendienst.

Den ersten Christen jedenfalls wäre es als absurde Verirrung vorgekommen, in Richtung auf ein Symbol hin zu beten, sich unter einem Symbol zu versammeln, ein solches zu verehren oder sich auch nur damit zu identifizieren. In den ersten Jahrhunderten ist das Kreuz als »christliches Symbol« völlig unbekannt. Die ersten bildlichen Kreuzdarstellungen sind ab dem vierten, fünften Jahrhundert zu finden, also zu einer Zeit, wo der Abfall des mehrheitlichen Christentums von Christus, die Vermischung mit heidnischen Religionen und die Angleichung an die Welt schon sehr weit fortgeschritten war. Die Einführung des Kreuzes als vorgeblich christliches Symbol wird dem römischen Kaiser Konstantin zugeschrieben, fällt also in das vierte Jahrhundert. Es geht auf ein Zeichen des Sonnengottes Sol invictus zurück, den Konstantin bis an sein Lebensende verehrte. Der römische Sol invictus ist auch als Mithras im hellenischen Bereich und als Elaga-Baal in Syrien bekannt. Es gibt also eine direkte Verbindung zu assyrischen Baalskulten. Der wöchentliche Feiertag des Sol invictus — des »Gottes der unbesiegbaren Sonne« — ist der erste Wochentag, der Sonnentag (dies soli), der ebenfalls von Konstantin zum allgemeinen Feiertag dekretiert wurde. Darüberhinaus wird Sol-Mithras jährlich zur Wintersonnenwende, am 25. Dezember, gefeiert. All diese Gebräuche und Symbole hat Konstantin in seine Privatversion des »Christentums« integriert. Das hat ihm und vielen Gleichgesinnten ermöglicht, sich nach außen hin als Christen darzustellen, ohne ihren Götzendienst aufgeben zu müssen. Jeder einigermaßen Bibelkundige wird eine Vorstellung davon haben, was zum Beispiel Paulus zur Integration des Baalskultes ins Christentum gesagt hätte, nur wenige aber ziehen daraus die Konsequenzen für sich selbst.

In der römisch-heidnischen Vorstellungswelt jedenfalls war das Kreuz ein Sonnensymbol, eng verbunden also mit dem Kult der Verehrung der Sonne, den schon das Alte Testament ausdrücklich verbietet (z. B. 5. M. 4, 19; 5. M. 17, 3; Jer. 8, 2). Indem Konstantin das Christentum — bzw. was er dafür hielt — zur römischen Staatsreligion machte, hat er diesem mehr geschadet als vorherige Kaiser mit ihren blutigen Christenverfolgungen. Nicht nur wurden dem Christentum heidnische Bräuche untergemischt, auch wurde es mit dem Staat verbunden und plötzlich für Opportunisten attraktiv. Es hat sich von diesem Schlag bis heute nicht erholt. Noch immer halten sich viele Menschen für Christen, obwohl sie eigentlich einer mehr oder minder konstantinischen Mischreligion anhängen. Mit dem Wissen um diese Herkunft des Kreuzsymbols erscheint es nun schon viel weniger nebensächlich, ob wir — wie die Schrift — von einem Pfahl sprechen, oder von einem Kreuz.

Der Pfahl, der in seiner Darstellung einen simplen Strich ergibt, eignet sich deutlich weniger zum symbolhaften Gebrauch. Wenn es überhaupt eine quasi symbolische Darstellung des Pfahles gibt, so findet sie ihre Entsprechung im hebräischen Buchstaben ו (Waw), der übersetzt »und« bedeutet. Das »und« ist ja das Wort des Verbindens; wir lesen im Eph. 2, ab Vers 13, wie sich dieses göttliche ו auswirkt. Aber dies ist ein verbales Symbol, kein gegenständliches, und natürlich wäre es genauso falsch, sich nun einen Pfahl um den Hals oder an die Wand zu hängen.

Das Kreuz war auch eines der ältesten magischen Schutzzeichen des germanischen Kulturkreises. Seine Zauberabwehrkraft wurde vom Volksglauben dann später dem »christlichen« Kreuz zugeschrieben. Das Kreuzeszeichen auf der Brust, an Türen, Ställen, Böden und auf Wegen sollte gegen Hexen und böse Geister schützen. Diese heidnische Vorstellungswelt wurde unmittelbar ins Christentum eingeschleppt. Fetischistischer Gebrauch des Kreuzes ist bis heute anzutreffen, z. B. auch in einigen charismatischen Kreisen, die ansonsten jeglichen Bezug zum germanischen Heidentum weit von sich weisen würden. Aber auch jeder, der ein Kreuz am Hals oder an der Wand sein eigen nennt, prüfe sich selbst: Fühlt er sich unwohl bei dem Gedanken, es abzulegen bzw. abzuhängen, meint er dann weniger geschützt oder gesegnet zu sein, meint er gar, seine Rettung hierdurch zu gefährden, oder verursacht ihm diese Vorstellung einfach nur eine anonyme Pein, die er vielleicht als schlechtes Gewissen bezeichnen würde, dann hat er die Grenze zum Fetischismus bereits überschritten. Denn unser Vertrauen soll ja auf Gottes Zusage gerichtet sein, auf das Wort vom Pfahl, nicht auf ein Bild davon. Der Durcheinanderwerfer verfolgt hier also einmal mehr die Strategie, den Götzendienst so eng mit christlichen Begriffen zu vermengen, daß bei den geistlich Schwächeren Skrupel entstehen, diesen Götzendienst abzulegen.
Wie wir z. B. aus der Geschichte der Versuchung Jesu wissen, benutzt er dazu selbst das Wort Gottes, indem er es aus dem Zusammenhang herauslöst (Mt. 4, 1ff).

Im Licht dieses Wissens erscheint auch die gegenwärtig immer wieder aufflammende Diskussion um Kreuze in Schulen und Gerichtssälen als ein gigantisches Ablenkungsmaneuver des Diabolos: Während tatsächliche geistliche Bedrohungen weitgehend ignoriert werden, wird eine Symboldiskussion gepflegt.

Da Gott weiß, daß wir hier besonderer Warnung bedürftig sind, hat er schon im Alten Testament ein prophetisches Vor-Bild für die Vergötzung des Kreuzessymbols angelegt:
In Joh. 3, 14 lesen wir, daß die Schlange, die Mose am Pfahl erhöhte (4. M. 21, 9), ein Vorbild auf Christus ist, der ebenso erhöht werden müsse. Dies ist bis dahin noch Gemeingut evangelikaler Verkündigung. Seltener ist zu hören, wie die Geschichte weitergeht: Pfahl samt Schlange wurden zum Gegenstand kultischer Verehrung; über Jahrhunderte hinweg wurden dem Gebilde unter dem Namen »Nechustan« Räucheropfer dargebracht. Auch in der Königszeit, wo sich immer mal ein gerechter König findet, der die Baals- und Ascherabilder zerschlägt, blieb die Schlange zunächst unangetastet. Mose hatte sie auf Gottes Geheiß hin gemacht, also konnte man sie ja nicht gut vernichten. Schließlich ist sie ja ein Stück von Gottes Heilgeschichte mit Israel — oder? Endlich kommt mit Hiskijah ein König an die Macht, der seine Sicherheit allein aus seiner Beziehung zu Gott bezieht. Sein Vertrauen ist so stark, daß er nicht nur die Ascherim, sondern auch die kupferne Schlange zerschlägt. Das Gezeter der Religiösen hätte ich hören mögen! Aber er findet Anerkennung bei seinem Gott und Vater: Die Schrift hält fest, daß weder vor ihm noch nach ihm irgendeiner der Könige Jehudas ihm gleichkommt. Wir finden seine Geschichte in 2. Könige 18.
Es kann keinen Zweifel geben: Ebenso wie die erhöhte Schlange in der Wüste eine prophetische Vorschattung ist auf Christus hin, so ist auch die Geschichte vom Schlangenpfahl, der hernach zum Götzenbild wird, ein prophetischs Vorbild dessen, was mit dem zum Kreuz mutierten Pfahl bis zum heutigen Tage geschieht. Hiskijahs Beispiel läßt auch keinen Zweifel daran, was Gott von uns erwartet: Wir sollen uns in Treue mit dem Wort vom Pfahl begnügen, bildliche Darstellungen aber von uns hinwegtun.

Bilderstürmern sei aber gesagt: Vollmacht dazu haben wir nur innerhalb des Verantwortungsbereiches, in den uns Gott gestellt hat — der Familienvater in seiner Haushaltung, der Älteste in der Herausgerufenen[G] seines Wohnortes. Es bringt keine Frucht, religiösen Menschen ihre Götzen gewaltsam zu nehmen; werden sie nicht durch das Wort selbst davon überzeugt, diese aufzugeben, würden sie sich schnell andere erschaffen. Um zu vermeiden, daß das Thema als Streitthema verschlissen wird, ist festzuhalten, daß das Abstehen von gegenständlichen Symbolen — also z. B. Kreuzen, die an Gebäudeteilen angebracht oder um den Hals getragen werden — durchaus gelehrt werden muß; die Frage nach der Begrifflichkeit von Kreuz oder Pfahl ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Wer es erfassen kann, der erfasse es. Der Nutzen für ihn besteht — wie für Hiskijah — darin, sein Vertrauen auf den lebenden Gott zu setzen statt auf tote Symbole, so »christlich« diese sich auch darstellen mögen.

Eine pietistische Standardeinwendung ist die folgende: Es sei schon deshalb unmöglich, den Begriff »Kreuz« durch den Begriff »Pfahl« zu ersetzen, weil ja die Zeugen Jehovas vom Pfahl sprechen, und mit diesen Sektierern möchte man sich ja nicht gemein machen. Das ist aber ein Scheinargument. Konsequenterweise müßte man dann schließlich auch sagen, daß es unzulässig sei, vom Kreuz zu sprechen — es spricht ja auch die Katholische Kirche vom Kreuz. Und ganz emotionslos und nur im Lichte der Schrift betrachtet ist die RKK sicherlich in der Summe ihrer Praxis nicht näher am Zeugnis der Heiligen Schrift als die Wachtturm-Gesellschaft. Entscheidend für den Wahrheitsgehalt einer Aussage kann aber ohnehin nicht sein, wer sie sonst noch vertritt, sondern nur, was Gott darüber sagt. Und wenn wir dadurch am Ende selbst von den Freunden verkürzter Argumente »Sektierer« gescholten werden, darf uns das nicht sonderlich beeindrucken, sie haben ja auch Christus schon zuverlässig als Sektierer eingestuft (Mt. 10, 25; Joh. 15, 20).
Wenn Gott in seinem Buch von einem Pfahl spricht, haben wir kein Recht, einen weiteren Balken hinzuzufügen. Wer dies tut, indem er stauros willkürlich mit Kreuz übersetzt, hat dafür bestenfalls historische Gründe. Dann soll er sich aber auch offen dazu bekennen, daß er einer historisch-kritischen Theologie anhängt, die von der Bibel nur gelten läßt, was mit den jeweiligen historischen Vorstellungen seiner Zeit — manche sprechen vom »jeweils gültigen wissenschaftlichen Irrtum« — übereinstimmt.

 

 


Photo: © Geier

Free Tagging (Freies Zuweisen von Kategorien)

Rückblick 1. Lesertreffen

Beliebte Inhalte



CAPTCHA
Diese Frage hat den Zweck, zu testen, ob man ein menschlicher Benutzer ist und um automatisiertem Spam vorzubeugen.
Bild-CAPTCHA
Bitte die im Bild dargestellten Buchstaben (ohne Leerzeichen) eingeben.

Geierpost buchen

Inhalt abgleichen