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Arbeit? Wie uncool!
13. Juni 2009
Arbeitsfrei und reich dabei — das »Bedingungslose Grundeinkommen«
»Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.« Zumindest, wer in der DDR in die Schule gegangen ist, weiß, daß dieser Satz den Auftakt zu Karl Marx’ »Manifest der Kommunistischen Partei« markiert. Weniger bekannt ist, daß dieses totgeglaubte Gespenst gerade unter neuem Namen reanimiert wird, und zwar unter der Bezeichnung »Bedingungsloses Grundeinkommen«. Die Idee bestaht darin, jedem Bürger ein Grundgehalt zu zahlen, das völlig unabhängig ist von jeglicher Gegenleistung. Diskutiert werden derzeit 1.500 Euro, für Kinder etwas weniger. Zum Beispiel ich käme so auf ein phantastisches Einkommen, das ich mit Arbeit nie erzielen kann und es könnte endlich zweimal täglich neue Geiernotizen geben.
Der Milliardär Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette »dm«, sieht sich als geistigen Vater der Idee. Er beschwert sich: »Heute sind viele Leute gezwungen, eine Arbeit anzunehmen, nur damit sie ein Einkommen haben.« Seine These: »Die Aufgabe der Wirtschaft ist es, die Menschen von der Arbeit zu befreien.« Es geht also um nicht weniger als eine weitere Revolution: Nachdem die »Sexuelle Revolution« der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Kopplung von Sexualität und Vermehrung aufgehoben und dadurch den demographischen Kollaps initiiert hat, auf den die »westliche Civilisation« zusteuert, geht es nun um deren letzten Sargnagel: Um nicht weniger als die Aufhebung der Kopplung von Einkommen und Leistung. Dabei ist diese de facto schon längt ausgehöhlt; es geht nurmehr um die Institutionalisierung und den Ausbau dieses Zustandes. Um dies zu erreichen, entblöden sich die Protagonisten nicht einmal, das leistungslose Grundeinkommen als »Freiheitsrecht« und »Frage der Menschenwürde« hinzustellen. Susanne Wiest, einer esoterisch interessierten Tagesmutter, ist es immerhin gelungen, 50.000 Personen zu bewegen, ihre Petition an den Bundestag zu unterschreiben, in der das »Bedingunslose Grundeinkommen« gefordert wird. Die Sache entwickelt sich zum Volkssport, was nicht erstaunlich ist, wenn man sich vergegenwärtigt, um was es geht: Jede Menge Geld zu bekommen, für das gefälligst — da es bekanntermaßen ja immer noch nicht auf den Bäumen wächst — andere Leute zu arbeiten haben.
Einer der Aktivisten der Verbreitung dieser Idee, der Künstler Enno Schmidt, ist begeistert: »Das erste Mal seit langem kann man als Piefke Doof wieder über eine gesellschaftliche Vision mitdiskutieren« erklärt er die Verbreitung der Idee. Richtig. Und genauso sind dann eben auch die Ergebnisse.
Früher, ganz früher, hieß das Diebstahl — oder etwas später dann Kommunismus. Wer in der DDR zur Schule gegangen ist, hat gelernt: Das sozialistische Prinzip »jeder nach seiner Leistung« würde bald durch das kommunistische Prinzip »jeder nach seinen Bedürfnissen« abgelöst werden. Man müsse nur noch den »Neuen Menschen« heranziehen, mit dem das funktionieren würde, weil ihm Arbeit ein Herzensbedürfnis sei. Leider hat das mit dem Neuen Menschen nicht so ganz freiwillig (bzw. überhaupt nicht) funktioniert, weswegen sich die Sache mit dem Kommunismus immer wieder verzögert hat. Kein Staatsbürgerkundelehrer wollte einen Termin nennen. Und damit sich die Arbeit ungestört zum Bedürfnis des Menschen entwickeln konnte, machte man sie erst einmal zur allgemeinen und verbindlichen Pflicht, die bei Nichtbeachtung per Asozialenparagraph mit Gefängnis bestraft wurde.
Der Philosoph Peter Sloterdijk erklärt einstweilen, warum wir schon gar nicht mehr so weit entfernt sind von den Zuständen, die die Befürworter des Grundeinkommens fordern. Er benutzt den Begriff »Ausbeutungsumkehrung«:
»Lebten im ökonomischen Altertum die Reichen unmißverständlich und unmittelbar auf Kosten der Armen, so kann es in der ökonomischen Moderne dahin kommen, daß die Unproduktiven mittelbar auf Kosten der Produktiven leben — und dies zudem auf mißverständliche Weise, nämlich so, daß sie gesagt bekommen und glauben, man tue ihnen unrecht und man schulde ihnen mehr.
Tatsächlich besteht derzeit gut die Hälfte jeder Population moderner Nationen aus Beziehern von Null-Einkommen oder niederen Einkünften, die von Abgaben befreit sind und deren Subsistenz weitgehend von den Leistungen der steueraktiven Hälfte abhängt.«
Ermöglicht wird dies durch die unverhältnismäßige Besteuerung von Leistung:
»Um das Phänomen der heutigen Steuerduldsamkeit bei den Wohlhabenden zu würdigen, sollte man vielleicht daran erinnern, daß Queen Victoria bei der erstmaligen Erhebung einer Einkommensteuer in England in Höhe von fünf Prozent sich darüber Gedanken machte, ob man hiermit nicht die Grenze des Zumutbaren überschritten habe. Inzwischen hat man sich längst an Zustände gewöhnt, in denen eine Handvoll Leistungsträger gelassen mehr als die Hälfte des nationalen Einkommensteuerbudgets bestreitet. … Voll ausgebaute Steuerstaaten reklamieren jedes Jahr die Hälfte aller Wirtschaftserfolge ihrer produktiven Schichten für den Fiskus, ohne daß die Betroffenen zu der plausibelsten Reaktion darauf, dem antifiskalischen Bürgerkrieg, ihre Zuflucht nehmen. Dies ist ein politisches Dressurergebnis, das jeden Finanzminister des Absolutismus vor Neid hätte erblassen lassen.«
Dressurergebnis ist ein ganz passendes Wort in dem Zusammenhang; wäre der Verfall nicht schon lange so weit fortgeschritten, daß es de facto schon heute möglich ist, zu überleben, auch wenn man einfach nicht arbeiten will, wäre es gar nicht möglich, ein solch absurdes Construct wie das »Bedingungslose Grundeinkommen« öffentlich zu diskutieren, ohne sich vollständig lächerlich zu machen.
Heute hingegen wird die Posse überaus ernstgenommen: Die »C«DU hat nichts besseres zu tun, als zu prüfen, inwiefern das kommunistische Grundeinkommen »zum christlichen Menschenbild paßt«. Diese Frage kann ihr schnell beantwortet werden: Paulus hat gesagt: »Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen.« (2. Thess. 3, 10). Damit wäre das Thema eigentlich erschöpfend behandelt. Wenn Paulus aber der CDU schon wieder zu viel »C« ist, muß sie alternativ nur mal ins eigene Archiv gehen und die weisen Worte ihres Altkanzlers Kohl von 1993 ausgraben: »Wir können die Zukunft nicht dadurch sichern, daß wir unser Land als einen kollektiven Freizeitpark organisieren.« Richtig. Aber was hat er dafür für Prügel einstecken müssen!
Siehe auch Geiernotiz vom 14. Juni 2009:
»… weil wir gerade von Arbeit reden …«