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Eseleien


By Geier - Posted on 19 April 2010

19. April 2010

 

Schon gewußt? Beim Erwerb eines Esels (rechts in der Abbildung) werden neunzehn Prozent Mehrwertsteuer fällig, beim Erwerb eines Maultieres (links im Bild) hingegen nur sieben. Das hängt zusammen mit den beiden unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen in Deutschland.

Ursprünglich war der ermäßigte Satz eingeführt worden, um soziale Härten abzufedern. Das heißt: Eigentlich. Denn daß Hundefutter mit sieben Prozent, Wegwerfwindeln aber mit neunzehn besteuert werden, erschließt sich nicht jedem auf Anhieb als soziale Wohltat, es sei denn, man unterstellt, daß der Gesetzgeber der Meinung sei, daß Hundehaltung für das Gemeinwesen wichtiger ist als das Aufziehen von Kindern. Wundern würde mich das in dieser kinderfeindlichen Gesellschaft freilich auch nicht mehr. Auch daß Hotelübernachtungen neuerdings dem vergünstigten Satz unterliegen, ist wohl weniger ein Geschenk an sozial Bedürftige als an die Hoteliers.

Jedenfalls unterliegen Lebensmittel wegen dieser sozialen Komponente dem ermäßigten Steuersatz. Das heißt: Eigentlich. Denn soviel logischer als in dem Beispiel von Maultier und Esel sieht es auch bei den Lebensmitteln nicht aus. So ist die Möhre mit sieben, der Möhrensaft aber mit neunzehn Prozent besteuert. Wer nun meint, das System durchschaut zu haben, hat sich mächtig geschnitten, denn: Tomaten sieben, Tomatensaft auch sieben Prozent. Also doch lieber Wasser trinken? Bitteschön: Leitungswasser mit sieben, Mineralwasser mit neunzehn Prozent versteuert. Der Tatsache, daß Zierfische mit neunzehn, Speisefische aber mit sieben Prozent versteuert werden, könnte man fast noch Verständnis entgegenbringen, aber warum dann wieder tiefgekühlte geschälte Garnelen mit neunzehn? Warum Scampi mit sieben und Langusten mit neunzehn? Und was wird, wenn sich jemand einen lebenden günstig versteuerten Speisefisch ins Aquarium setzt? Ist das dann Steuerhinterziehung?

Tomaten werden, wie oben schon erwähnt, mit sieben Prozent versteuert, auch dann, wenn sie püriert sind, Tomatenketchup oder eine fertige Tomatensauce hingegen mit neunzehn. Soll das nun die Tendenz zum Fastfood bremsen und zum gesunden Kochen mit frischen Zutaten ermutigen? Aber warum wird dann das Schulessen mit neunzehn Prozent versteuert, während der Schüler, wenn er stattdessen an der nächsten Ecke einen Döner ißt, nur sieben Prozent zahlt? Das heißt: Eigentlich. Denn wenn er den Döner nicht mitnimmt, sondern in der Dönerbude mit Messer und Gabel ißt, werden denn doch die neunzehn Prozent fällig. Ist der Döner zum Mitnehmen deshalb ein paar Cent billiger? Das habe ich jedenfalls noch nirgends gesehen.

Keine Ermäßigung gibt es jedenfalls auf die Versteuerung des Steuerzahlens, hier werden die vollen neunzehn Prozent fällig. Nein, das ist jetzt keiner von meinen Scherzen, sondern traurige deutsche Rechtswirklichkeit: An der Tankstelle z. B. wird der volle Mehrwertsteuersatz nämlich nicht nur auf den Benzinpreis aufgeschlagen, sondern zusätzlich auch noch auf Mineralöl- und Ökosteuer. Und spätestens da, wo nicht mehr nur Waren, Dienstleistungen, Besitz oder Einkommen versteuert werden, sondern buchstäblich auch das Steuernzahlen selbst steuerpflichtig wird, ist die Grenze von der Eselei zur Schweinerei überschritten … Hausschwein übrigens zu sieben, Wildschwein zu neunzehn Prozent — eigentlich, denn ist das Wildschwein zerlegt, dann natürlich auch sieben.

 

Nachtrag 28. 6. 10: F.A.Z.-Artikel zum Thema

 

Weitere bemerkenswerte Beispiele finden sich in dieser NDR-Satire:

 

 

Photo: © INSM Berlin; Nutzung mit freundlicher Genehmigung

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