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Apostel, Dronten, alte Schwestern …


By Geier - Posted on 01 Mai 2010

1. Mai 2010

 

   

Kennt jemand eigentlich noch die Dronte, auch als Dodo bekannt? Ein Originalbild dieses freundlichen Vogels kann ich leider nicht zeigen, die Dronte ist nämlich ausgestorben, deshalb hier nur ein Bild von einer Bronzeskulptur. Die Dronte ist derart ausgelöscht, daß es im Englischen sogar die Redewendung »dead as a Dodo« gibt — »tot wie ein Dodo«, was in etwa dem deutschen »mausetot« entspricht, freilich noch anschaulicher ist, weil es eben überhaupt keine lebenden Dronten mehr gibt. Nicht nur das, selbst ausgestopfte Exemplare gibt es nicht mehr, das letze haben in einem britischen Museum die Motten gefressen. So kennen wir heute nicht einmal mehr die Farbe des Gefieders der Dronte so genau.

Wenn wir heute über bestimmte geistliche Dienste reden, dann heißt es auch häufig: Ausgestorben. Aber Paulos schreibt (Eph. 4, 11ff):

»Derselbe gibt die einen als Apostel, die anderen als Propheten, andere als Evangelisten oder als Hirten und Lehrer — zur Anpassung der Heiligen an das Werk des Dienstes, zur Auferbauung der Körperschaft des Christos, bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zum gereiften Mann, zum Maß des Vollwuchses der Vervollständigung des Christos, damit wir nicht mehr Unmündige seien, von jedem Wind der Lehre wie von brandenden Wogen hin und her geworfen und umhergetragen durch die Unberechenbarkeit der Menschen, durch die List, die darauf ausgeht, den Irrtum planmäßig zu verbreiten.«

Wenn wir uns diese Aufzählung verschiedener Dienste ansehen und nach heutigen Entsprechungen suchen, dann gibt es viele, die sagen: Ausgestorben. Gab es mal, gibt es nicht mehr, ist überholt. Peinlicherweise sind es oft (nicht immer) dieselben Leute, die einerseits die Erwähnung von Hirten in der Bibel als Rechtfertigung für ihre klerikalen Gemeindestrukturen und bezahlten Pastoren mißbrauchen, andererseits aber von Aposteln und Propheten nichts wissen wollen. Wenn Gott aber mit Aposteln und Propheten abgeschlossen hätte, dann auch mit Evangelisten, Hirten und Lehrern, einen anderen Schluß läßt die Summierung dieser Dienste in Vers 11 gar nicht zu. Aber wir müssen uns ja auch nur die Begründung für das Vorhandensein dieser Dienste ansehen, um zu verstehen, daß ihre Zeit nicht abgelaufen sein kann: Denn es ist ja durchaus nicht so, daß heutige Christen nur so von Einheit, Erkenntnis, Treue, Beständigkeit und Mündigkeit strotzen würden, so daß diese Dienste überflüssig geworden wären.

Es gibt aber noch einen anderen Dienst, der trotz dringender Notwendigkeit praktisch ausgestorben scheint, und das ist der der alten Schwestern (Tit. 2, 3ff):

»In derselben Weise mögen die bejahrten Weiber ein Betragen zeigen, wie es geweihten gezeimt, keine Widerwirkerinnen, nicht vielem Wein versklavt, Lehrerinnen des Idealen, damit sie die jungen Frauen zur gesunden Vernunft anleiten, nämlich ihre Männer lieb zu haben, kinderlieb, vernünftig, lauter zu sein, im Haus wirkende, Gute, sich unterordnende den eigenen Männern zu sein, damit das Wort Gottes nicht gelästert werde.«

Mal ehrlich: Ich kann mich nicht erinnern, daß mir in den dreißig Jahren meines Christseins auch nur eine einzige ältere Schwester begegnet wäre, die den Dienst, jüngere in dieser Weise anzuleiten, tut. Ausgestorben? »Dead as a Dodo?« Vielleicht wirken sie ja im Verborgenen, aber müßte man dann nicht die Auswirkungen sehen?

Von der Dronte gibt es eine (umstrittene) These, derzufolge sie in einer seltsamen Symbiose mit dem Calvariabaum gelebt haben soll. Dessen Samen sind solch harte Nüsse, daß sie freiwillig nicht keimen wollen. Wenn die Dronte sie aber frißt und wieder ausscheidet, sind sie soweit aufgebrochen, daß sie keimen können. Das Aussterben der Dronte soll nun auch den Calvariabaum an den Rand des Aussterbens gebracht haben.

Was ich damit sagen wollte, ist: Wenn die alten Schwestern denn wirklich noch im Verborgenen wirken würden, müßte man dann nicht überall ihre Frucht, sozusagen ganze »Wälder von Calvariabäumen« sehen — also lauter jüngere, die das praktizieren, was Paulos als Vernunft bezeichnet: »… ihre Männer lieb zu haben, kinderlieb, vernünftig, lauter zu sein, im Haus zu wirken, sich den eigenen Männern zu unterordnen, damit das Wort Gottes nicht gelästert werde«?

Aber wiederum: So wie diejenigen, die ihren Klerikalismus mit Eph. 4 rechtfertigen wollen, jedoch gleichzeitig Apostel und Propheten für ausgestorben erklären, so gibt es auch diejenigen, die zwar entgegen dem Zeugnis der Schrift behaupten, Frauen dürften lehren wie Männer, aber ausgerechnet den Lehrbereich, der diesen tatsächlich zugewiesen ist, tapfer verleugnen. Die angeführte Titus-Stelle ist übrigens überhaupt die einzige Bezeichnung eines spezifischen »Frauentreffens«, die wir im Neuen Testament finden, und sie hat ein sehr exakt umrissenes Aufgabenspektrum. Was aber läuft heute so auf »christlichen« Frauentreffen? Da werden Frauen vor allem dazu angeleitet, sich selbst zu lieben; so wird zum Beispiel Werbung gemacht für »Frauenverwöhnwochenenden«. Das ist nun nicht gerade das, was Paulos gemeint hat, und wenn man mal eine Suchmaschine auf den Begriff »Frauenverwöhnwochenende« ansetzt, kommt man ganz schnell in Netzgegenden, wo man sich als geistlicher Mensch sonst eher nicht aufhält:

»Unsere männlichen Masseure stehen Euch den ganzen Abend zur Verfügung … alles ist möglich. Wichtig ist, ihr fühlt euch wohl.«

Es scheint überhaupt nur zwei Arten dieser »Frauenverwöhnwochenenden« zu geben. Die einen sind diese pseudochristlichen, wo Frauen die Seele gestreichelt wird, die anderen sind die mit den »Masseuren«. Es ist nicht ganz leicht auszumachen, welche die obszöneren sind, denn die Masseure erheben wenigstens keinen geistlichen Anspruch. Aber die »christlichen« Frauen ermutigen sich mittlerweile gegenseitig, die Lebensweise der sogenannten Latte-macchiato-Mütter zu adaptieren, die ihren Lebensmittelpunkt eben gerade nicht mehr im Haus[G] suchen, sondern draußen, auf der »freien Wildbahn«, deren höchstes Prinzip das »liebe-und-verwöhne-dich-selbst« ist und über die der Duden* schreibt:

»Moderne Mütter sitzen nicht mehr isoliert zu Hause und hüten ihr quäkendes Bündel. Statt sich dem Hausfrauendasein zu ergeben, leben sie einen neuen Lifestyle. Trendige Mamas verabreden sich zum Shoppen, hängen mit ihren Kindern stundenlang in Szenecafés rum und trinken Modekaffees. Die kleinen werden dabei gerne mit einem Kinderlatte, der nur aus Milchschaum besteht, ruhiggestellt. Gehäuft trifft man diese neue Müttergeneration in den Szenevierteln urbaner Metropolen, in denen Kinder mittlerweile zu einem echten Modeaccessoire und Statussymbol geworden sind.«

Kommt zu dieser Mentalität noch eine Form von Kirchlichkeit hinzu, äußert sich das häufig in einer ausgeprägten, vorzugsweise religiösen Vereinshuberei: Frau versucht sich überall »nützlich« zu machen und mit allerlei Initiativen und Aktivitäten die halbe Welt zu retten, um die Leere zu überspielen, die das vollständige Verfehlen ihres Schöpfungszweckes in ihr hinterlassen hat. Und sie würde sich lieber noch hundert weitere Aktivitäten aufladen, ehe sie sich der unglaublichen Zumutung stellt, die Jahweh als ihr Daseinsziel, den Grund, warum er sie überhaupt erschaffen hat, formuliert hat: »Ich will ihm — nicht Hinz, nicht Kunz, noch irgendwelchen anderen Leuten, sondern gerade ihrem Manne — eine Hilfe machen als seine Gegenwart« (1. M. 2, 18). Diesem Manne nahezusein, ihm zu helfen, ihn zu stützen, seine Ziele zu adaptieren und daran mitzuarbeiten statt eigene Ziele zu entwickeln — das wäre das Ende jedes Stolzes und aller Selbstverwirklichung. Alles, alles, nur nicht das! Lieber frei, unglücklich und verbittert als demütig und zufrieden! Da nun Frauen, wenn sie erst einmal auf einem solchen Trip sind, in der Regel wegen eines verschorften Gewissens dem Mahnen des Heiligen Geistes oder gar männlichen Warnungen schon nicht mehr zugänglich sind, hat Gott diesen Dienst des Ermahnens durch die »alten Schwestern« gesetzt. Aber wo kann man dieses wichtige Regulativ wirken sehen? Gibt es diese alten Schwestern deshalb nicht mehr, weil die heutigen Alten schon selbst in einer Generation großgeworden sind, wo der Lebensstil, den Gottes Wort fordert, selbst unter »Christen« als hoffnungslos unmodern und inakzeptabel galt, in Predigten als Relikt und »kulturelle Besonderheit früherer Zeiten« ohne jede Relevanz für uns Heutige abgewertet und das Wort Gottes als Paulos’ Privatmeinung dargestellt wurde? Ist diese Alterskohorte gar nicht mehr dazu fähig, diesen Dienst zu tun, weil sie selbst, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nie so gelebt hat? Wurde das geistliche Leben dieser Schwestern von einer destructiven Theologie dahingerafft, wie die Dronte von Ratten, Hunden und hungrigen Seefahrern? Oder verbergen sich doch irgendwo noch ein paar versprengte Exemplare wie die siebentausend Gerechten zur Zeit Elijahus? Wo sind sie aber?

Sollte also wider Erwarten jemandem eine lebende Dronte über den Weg laufen, kann er ja dem Betreiber dieser schönen und informativen Seite über Dronten bescheid geben; wenn aber jemandem so eine alte Schwester begegnet, wie sie Paulos beschreibt, freue ich mich über Nachricht via Kontaktformular.

 

 

 

 

Duden, Das neue Wörterbuch der Szenesprachen. Mannheim 2009

 

 

 

 

Photo © Geier

 

 

 

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