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Götzendienst auf Raten — über Egli-Figuren
29. Juni 2009
»Denn durch Glauben[G] wandeln wir, nicht durch Sichtbares.« (2. Kor. 5, 7)
Jetzt haben sie es auch in die Freikirchen geschafft: Die Egli-Figuren, auch als »Biblische Erzählfiguren« bekannt. Landläufig würde man diese Figuren ja als Puppen bezeichnen, was jeder Egli-Fan natürlich weit von sich weisen würde. Denn eine Egli-Figur ist ihrem Anspruch nach viel mehr als eine Puppe. Egli-Figuren sind bewegliche Skulpturen von Menschen und Engeln und werden dazu benutzt, biblische Geschichten nachzustellen. Das ganze soll das Verständnis der Bibel fördern. So weit, so gut. Oder doch nicht so gut? Auf den ersten Blick mutet es ja schon etwas seltsam an, daß ausgerechnet Sachverhalte der Bibel mit einem Mittel dargestellt werden sollen, das die Bibel selbst untersagt: Mit Skulpturen.
Wir lesen in 2. Mose 20, 4: »Nicht machst Du Dir eine Skulptur oder irgendein Artgleiches dessen, was in den Himmeln oben und was im Erdland unten und was in den Wassern unter dem Erdland ist.« Ja, aber gilt denn das nicht nur für Götzenbilder? Nein, jedenfalls steht das nicht da, das Wort פֶסֶל [phäsäl] kann man nicht auf ein Götzenbild beschränken, es ist erst einmal sehr weit gefaßt. In 3. M. 26, 1 wird es von Götzenbildern unterschieden, dort wird angewiesen, weder Götzen noch Skulpturen oder Stelen zu verfertigen (Sinngleiches gilt für weitere Schriftbelege). Dahinter steht Gottes Wissen um das Prinzip, daß auch scheinbar harmlose Skulpturen sich spätestens nach einigen Generationen zu Heiligtümern wandeln — der Götzendienst wird sozusagen auf Raten eingeführt. So finden wir in den ersten Büchern der Torah noch eine Trennung von Skulptur und Götzen, während später in den prophetischen Büchern der Begriff Skulptur schon als Synonym für ein Götzenbild gebraucht wird. Die Skulptur hatte keinen Platz im Volk Gottes, so etwas gab es nur bei den Nationen, und Israel wurde angewiesen: »So tut ihr ihnen: Ihre Altäre brecht ihr ab, und ihre Stelen zerbrecht ihr, und ihre Ascherim haut ihr ab, und ihre Skulpturen verbrennt ihr im Feuer« (5. M. 7, 5). Auch hier finden also die Skulpturen neben den Götzen eine gesonderte Erwähnung. Als König Herodes seinen Palast mit üppigem skulpturalem Bildwerk schmücken ließ, war das für fromme Israeliten der Beweis, daß er ein Knecht Roms war und kaum noch als Sohn Israels anzusehen.
Selbst bei libertärer Auslegung obiger Bibelstellen (zu denen es ja eine Menge ähnlicher gibt) sollte sich doch wenigstens die Frage stellen, ob es denn so eine furchtbar gute Idee ist, biblische Sachverhalte mit Skulpturen darzustellen. Und da bringt auch der Blick ins Neue Testament nichts grundsätzlich anderes zutage. Paulus stellt fest, daß der Glaube aus dem Hören kommt (Röm. 10, 17) und erteilt damit all denen eine Absage, die meinen, daß man geistliche Inhalte nicht ohne Stimulanz des Sehens — sei das nun Illustration, Schauspiel oder eben auch Skulpturen — wirksam vermitteln könne.
Paulus weiß, daß das göttliche Gebot immer an ein Wort gebunden ist, die Verfehlung hingegen in die Welt kam, indem »das Weib sah, daß der Baum gut zur Speise und daß er eine Lust für die Augen und daß der Baum begehrenswert wäre, um Einsicht zu geben« (1. M. 3, 6).
Im Grunde ist das Problem um die Egli-Figuren also die uralte Differenz zwischen Ikonodulen (Bilderverehrern) und Ikonoklasten (Bilderstürmern), und es kann keinen Zweifel geben, daß man nur auf Seiten der letzteren stehen kann, wenn man die Bibel als einzigen Bewertungsmaßstab akzeptiert. Es ist demnach nicht sonderlich erstaunlich, daß diese Figuren ihren Ursprung in einem besonders ikonodulen Hort der Bilderverehrung haben: In der Katholischen Kirche, wo sie in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erstmals aufkamen, damals noch ohne Frau Egli. Bis heute wird ihre Verbreitung von katholischer Seite stark gefördert, was auch wiederum plausibel ist, weil die Figuren über den Umweg der »Bibelgeschichtenvermittlung« einen sanften Einstieg in den Bilderdienst bieten, wie er im Katholizismus üblich ist. Die Strategie scheint aufzugehen: Leute, denen es nicht einfallen würde, z. B. eine Heiligenstatue zu verehren, nutzen dieses niedrigschwellige Lockvogelangebot gern, weil sie die dahinterstehenden geistlichen Gesetzmäßigkeiten nicht kennen.
Nun ist es ja nicht so, daß man einfach in einen Laden marschieren könnte und sich mit Egli-Figuren eindecken, weil man sich eben mal in den Kopf gesetzt hat, einen biblischen Sachverhalt bildlich darstellen zu wollen. Vielmehr muß man einen mehrtägigen Kurs belegen und sich von einer Kursleiterin dazu anleiten lassen, die Figuren selbst herzustellen:
»Die biblischen Erzählfiguren nach DORIS EGLI© werden grundsätzlich nur in Kursen unter fachlicher Anleitung einer autorisierten Kursleiterin angefertigt. Dabei wird neben den handwerklichen Fertigkeiten auch die Erfassung von Geschichten und die Umsetzung in szenische Darstellung durch die Figuren geschult.«**
Warum das? Lassen wir weiter die Egli-Anhänger selbst zu Wort kommen:
»Es ist sehr wichtig, dass die Figuren selbst hergestellt werden, um einen inneren Bezug zu erhalten, der den späteren Dialog ermöglicht.«*
Wer sich nun auch leicht irritiert fragt, von was für einem Dialog denn da die Rede ist, bekommt eine eindeutige Antwort:
»Es entsteht dadurch ein starker innerer Dialog zu den hergestellten Figuren, der über die Dauer des Kurses hinaus anhält und durch das Stellen von immer neuen Szenen mit den Figuren Ausdruck findet. Hierin liegt das Besondere an der Herstellung der original Doris Egli©-Figuren. Egli-Figuren zeichnen sich aus durch ein hohes Maß an Ausdruckskraft. Das Gesicht der Egli-Figuren ist bewusst nicht ausgestaltet sondern nur konturiert, sodass es nicht auf einen bestimmten Ausdruck festgelegt ist und somit eine Identifikation möglich wird.«*
Aha, die Puppenbastler sollen also erstens einen inneren Bezug zur Figur aufbauen, zweitens mit ihr in einen Dialog treten und sich drittens gar mit ihnen identifizieren. Das ist ja nun schon eine drastisch esoterische Herangehensweise, so daß sich die Frage stellt: Ist das eine ausnahmsweise Verirrung einer einzelnen Kursleiterin oder repräsentativ für das gesamte System Egli? Eine andere Kursleiterin berichtet:
»Die Teilnehmer identifizieren sich mit einer Figur und lassen sie in der Ich-Form reden. … Ich habe mit den Figuren zu unterschiedlichen Themen in der Schule, im Kindergarten aber auch in der Jugend- und Erwachsenenarbeit gearbeitet und war immer wieder erstaunt, wie sich alle von ihnen gefangennehmen lassen …«**
Also ist Frau Scholz offensichtlich doch kein Einzelfall. Kann es noch dicker kommen?
Es kann:
»Wer es bereits einmal mit Biblischen Erzählfiguren zu tun gehabt hat, der wird sicherlich erkannt haben, dass diese Figuren mehr sind als umspannte Gestelle aus Sisal und Draht. Diese Figuren leben. Vom Beginn ihrer Herstellung an – und dieser Prozess beginnt bereits in den Gedanken der Schaffenden – erwachen die Figuren zu einem ganz eigenen Sein Sie haben Charakter, ein eigenes Wesen. Sie lassen sich nicht beliebig weiterreichen, sondern gehören zu dem, der sie geschaffen hat, und verbinden sich mit ihm. … Diese intensive Beziehung des Schaffenden zu seiner Figur ist immer wieder in den Kursen, in denen die Figuren hergestellt werden, zu beobachten. Die Figur gibt dem Schaffenden etwas von dem zurück, was er bei der Herstellung und im gemeinsamen Arbeiten in sein Werk hineingelegt hat. Es entwickelt sich eine an Erfahrungen und Emotionen reiche Beziehung.«***
Also erstens: Dies Stück Materie wird nicht mehr als Materie wahrgenommen, sondern als eigenständiges Wesen, als Persönlichkeit. Diese Persönlichkeit der Puppe verbindet sich zweitens mit dem, der die Figur hergestellt hat — welcher Bibelleser denkt da nicht an Ps. 115, besonders Vers 8, aber auch die vorherigen, wo über die Götzen gesagt wird: »… ein Werk von Menschenhänden. Einen Mund haben sie und reden nicht; Augen haben sie und sehen nicht; Ohren haben sie und hören nicht; eine Nase haben sie und riechen nicht; sie haben Hände und tasten nicht, Füße, und sie gehen nicht; keinen Laut geben sie mit ihrer Kehle. Ihnen gleich werden die, die sie machen, ein jeder, der auf sie vertraut.«
Drittens schließlich wird von der Figur erwartet, daß sie ihrem Macher »etwas zurückgibt« und daß sich viertens eine Beziehung zwischen Figur und Bastler entwickelt. Fünftens läßt er sich gar von den Figuren gefangennehmen!
Ich muß sagen: Eine sehr viel bessere Umschreibung für das Wort »Götzendienst« hätte ich mir auch nicht ausdenken können: Materie wird bearbeitet, ihr wird Persönlichkeit zugesprochen, ihr Macher entwickelt eine Beziehung dazu, hegt eine Erwartung diesem Stück Stoff gegenüber, wird ihm schließlich ähnlich und wird versklavt — alles, was die Autoren hier selbst über ihre Figuren schreiben, ist Punkt für Punkt genau das, was wir aus der Schrift über Götzen wissen.
Ist unter diesen Umständen zu erwarten, daß mit Hilfe dieser Figuren wirklich das unverfälschte Wort Gottes vermittelt werden kann? Nein:
»Über die Figur gelingt es Teilnehmern einer Bibelarbeit leichter, sich von der "Last des Kopfes und des Wortes" zu befreien und sich selbst ins Spiel … zu bringen.«***
Das Wort ist also nicht mehr Quelle des Lebens, sondern wird als eine Belastung wahrgenommen, von der man sich zu befreien habe, letztlich zielt das Ganze darauf, unter Umgehung des wortorientierten Denkens das Gefühl anzusprechen. Diese Kopffeindlichkeit ist in der Theologie ein alter Hut, sie ist aber eben nicht biblisch, vielmehr weist Paulus (und nicht nur er) uns auf die Wichtigkeit des am Wort Gottes geschulten und geschliffenen Denkens hin. Wer das Denken umgeht und stattdessen das Gefühl anspricht, ist ein »Dieb und Räuber«, der über den Zaun steig, statt durch die Tür hereinzukommen (Joh. 10, 1). Auch der Anspruch, statt des Wortes Gottes »sich selbst ins Spiel zu bringen«, ist Gottes Wegen genau entgegengerichtet, die ja gerade darin bestehen, daß wir selbst abnehmen, Christus aber (der ja das Wort Gottes ist) zunimmt (Joh. 3, 30).
So ganz nebenher wird im Gefolge der Figuren übrigens auch das biblische Frauenlehrverbot ausgehöhlt, denn es wird ja der Anspruch erhoben, daß hier nicht irgendwelches Spielzeug fabriziert, sondern ernsthafter Bibelunterricht betrieben würde, und zwar ein Unterricht, der der verbalen Verkündigung überlegen sei und sich auch explizit an Erwachsene richtet. Die Erzählfiguren-Industrie ist aber fest in Frauenhand, es gibt beinahe überhaupt keine männlichen Kursleiter.
Auch ein weiteres Merkmal des Götzendienstes, die Commerzialisierung, ist ein wesentliches Merkmal der Figuren. Schon in den siebziger Jahren gab es einen Streit über Urheberrechte, der schließlich dazu geführt hat, daß Frau Egli und ihre Jüngerinnen Figuren unter dem Namen Egli herstellen und andere Gruppen geringfügig unterschiedliche Figuren als »Biblische Erzählfiguren« vermarkten. Um die Figuren hat sich im Laufe der Jahre eine kleine Industrie entwickelt — es ist wie bei den Silberschmieden zu Ephesos.
»Biblische Erzählfiguren« werden also nicht nur von einem Sisaldrahtgestell gehalten, sondern auch von einem ganz speziellen Ideologiegerüst. Es wäre ausgesprochen naïv, davon auszugehen, daß es unter diesen Umständen einen unbefangenen Umgang mit den Figuren geben könne, beispielsweise, um eben mal in der Kinderstunde eine Bibelgeschichte darzustellen. Es ist mit den Figuren so wie mit gegenständlichen Kreuzdarstellungen: Auch wenn sie nicht mit der Absicht offenen Götzendienstes eingeführt werden, sind es kleine Schritte weg von dem lebenden Christos und hin zur toten Religion.
* Citat: Ute Scholz
** Citat: Elke Noeske
*** aus: Claudia u. Stefan Alsenz, Arbeitsbuch Biblische Erzählfiguren. Wuppertal 1999, Brockhaus Verlag
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Bildquelle: Wikipedia