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Wolfsblut


By Geier - Posted on 01 Februar 2010

1. Februar 2010


»Hinter sich selbst her« — über die Wolfsnatur der Denominationen

In seiner Abschiedsrede vor den Ältesten von Ephesos in Milet (Apg. 20) spricht Paulos von den »schweren Wölfen, die das Herdlein nicht verschonen werden« und beschreibt diese Wölfe als Männer, die aus der Mitte der Herausgerufenen[G] aufstehen werden, um die Lernenden (Jünger) wegzuzerren hinter sich selbst her. Wenn wir in seinen Briefen nach näheren Anhaltspunkten dafür suchen, was es mit dieser Aussage auf sich hat, stoßen wir auf den ersten Brief an die Korinther. Aber gehen wir der Reihe nach:


Die Situation

Wenn heute jemand zu Christos kommt und ihn und sein Wort ernstnimmt, ergibt sich doch folgendes Problem: Es gibt eine unübersehbare Zahl von Kirchen, Freikirchen, Gemeinden, Sekten — im folgenden Denominationen[G] genannt — und irgendwie wird erwartet, daß man sich einer solchen anschließt. Wenn man nun aber in die Bibel sieht, weil man wissen will, welcher — findet man natürlich gar keine davon. Stattdessen findet man die strikte Warnung davor, überhaupt Denominationen zu bilden.

Denomination heißt einfach »Benennung«; das Wort sagt aus, daß eine bestimmte fest umrissene Gruppe sich unter einem bestimmten Namen, einer eigenen Bezeichnung, zusammengefunden hat. In der Regel erfolgt die Abgrenzung einer solchen Denomination auf der inhaltlichen Ebene durch ein Bekenntnis, also eine Konfession, auf der Strukturebene durch eine Vereins- oder Körperschaftsbildung. Es gibt aber auch Gruppen, die faktisch Denominationscharakter tragen, ohne schriftlich fixierte Bekenntnisschriften und öffentlich-rechtlichen Status zu haben.

Viele neue Christen scheitern an der denominationellen Vielfalt, und daran, daß sie sich für eine der Denominationen entscheiden sollen; auf einige wird sogar Druck ausgeübt, sie werden als unzuverlässig und unverbindlich hingestellt, weil ihnen eine solche Entscheidung schwerfällt. Dabei sind sie in einer Situation wie Kinder, deren Eltern sich scheiden lassen und fragen, ob sie denn lieber bei Mutter oder Vater bleiben wollen. Keinem seelisch gesunden Kind wird eine solche Entscheidung leichtfallen; das liegt nicht an der grundsätzlichen Entscheidungsunwilligkeit des Kindes, sondern daran, daß es in eine grundsätzlich ungesunde Entscheidung hineingezwungen werden soll. Letztlich ist jede der Alternativen falsch, und ein Kind spürt dies genau, auch wenn es das wahrscheinlich nicht erklären kann. Genauso geht es auch Christen, die sich für eine Denomination entscheiden sollen. Ihr Gewissen weiß ganz genau, daß eine solche Entscheidung nur falsch sein kann, wie auch immer sie ausfällt; die meisten haben aber, wenn sie in diesem Konflikt stehen, noch nicht genügend Schriftkenntnis, um erklären zu können, warum. Wer sich hier nun nicht an sein Haupt um Rat wendet, sondern auf Menschenrat vertraut, ist schnell geistlich lahmgelegt, entweder weil er an der Zerrissenheit verzweifelt und sich ganz abwendet, oder weil er sich letztlich doch zu einer Denomination hin überreden läßt und damit seinen künftigen geistlichen Horizont beträchtlich einengt, weil es ihm nur noch erlaubt wird, einen Teil des gesamten geistlichen Wahrheitsspektrums wahrzunehmen. Denn jede Denomination hat ihre ganz speziellen hauseigenen Denkbarrieren.

Was sagt denn nun die Schrift?

Wenn wir uns dem Thema annähern wollen, müssen wir zunächst eine Begriffsklärung versuchen, damit wir nicht permanent aneinander vorbeireden. Gerade in der Gemeindefrage sind die Begriffe extrem verwirrt, was immer wieder zu Mißverständnissen führt. So wird z. B. gerade in den Freikirchen (aber nicht nur dort) immer wieder von »Ortsgemeinde« gesprochen, wenn aber eigentlich gar keine örtlich, also regional verfaßte Struktur gemeint ist, sondern eine denominationell, also nach einem (Sonder-)bekenntnis verfaßte. Dies ist ein Maneuver, das der Denomination eine Legitimität verleihen soll, die ihr nach biblischen Maßstäben überhaupt nicht zukommt.
Den Begriff »Kirche« — und nicht nur den Begriff, sondern auch die Beschreibung einer Struktur, die den heutigen Volkskirchen einigermaßen ähneln würde — finden wir im ganzen Neuen Testament nicht (was uns ja schon einmal zu denken geben sollte). Wenn die Schrift neben verschiedenen Bildern (Leib des Christos, Braut des Christos usw.) einen feststehenden Begriff für diejenigen verwendet, welche dem Christos zugehören, dann ist es der Begriff »εκκλησια« [äkklesia]. Er setzt sich aus den Bestandteilen »äk« — »heraus«, und »kaläo« — »rufen«, zusammen, bedeutet also »die Herausgerufene«[G].

Was lehrt uns der Begriff »Herausgerufene«?

Schon vom Wort her ist die Herausgerufene die einzige Gemeinschaft, die sich nicht über Zugehörigkeit, sondern über Nichtzugehörigkeit definiert — nämlich über die Nichtzugehörigkeit zu diesem bösen Zeitalter (siehe z. B. Gal. 1, 4). Jeder Kaninchenzüchterverband, aber auch jede Kirche definiert sich jedoch über Zugehörigkeit (und es sei nur am Rande erwähnt, daß dieser Terminus im Deutschen das Wort Hörigkeit beinhaltet). Das ist ja gerade das, was sie attraktiv macht: Jeder Mensch sucht nach Zugehörigkeit zu Gleichgesinnten; daß der Preis hierfür die relative Abgrenzung von den anderen ist, nimmt er gern in Kauf für die Nestwärme, die ihm eine solche soziale Gruppe dafür bietet. Diese kann sehr verschiedene Strukturen aufweisen: Das kann eine Nation sein, ein Verein, ein Sippschaftsverband und so weiter. Es ist dies an sich durchaus auch ein legitimes Prinzip, aber: Es ist der Welt zugeordnet und hat in der Herausgerufenen nichts zu suchen. Es ist ein Prinzip des Fleisches. Kennzeichen der Herausgerufenen (also auch der einzelnen herausgerufenen Personen) ist, daß sie nicht mehr zugehörig sind zu diesem Zeitalter und dieser Welt — eben deshalb, weil sie daraus herausgerufen worden sind. Insofern unterscheidet sich die Herausgerufene auch von der Synagoge (das heißt die »Zusammengeführte«), sie ist also nicht einfach deren Fortsetzung; auch wenn sie natürlich fest mit der Wurzel des Alten Bundes verbunden ist, ist sie doch in dieser Hinsicht von anderer Art. Natürlich gibt es für die Herausgerufenen auch ein Hereingerufensein, also eine Zugehörigkeit; diese ist aber allein auf den Christos bezogen, in den wir hineinversetzt sind (Röm. 12, 5), und außerhalb des Bereichs dieser Welt. Wer sich konsequent mit Jesus einsmacht, wird feststellen, daß er immer wieder zwischen allen Stühlen sitzt — und das nicht nur, was das atheistische Umfeld betrifft, sondern gerade auch, was das religiöse Establishment angeht. Dies sollte uns nicht übermäßig befremden, entspricht es doch dem Vorbild von Jesus:

»Darum auch Jesus, auf daß er das Volk heilige durch das eigene Blut, war draußen vor dem Tor.
Nun denn sollten wir herauskommen zu ihm, als draußen, außerhalb der Burg, seine Schmähung tragende;
denn nicht haben wir hier eine bleibende Stadt, sondern die künftige suchen wir.«
(Hebr. 13, 12ff)

Dies ist nur eine der Stellen, die beschreiben, daß es Gott mit dem Herausruf ernst ist.
Es liegt nun aber in der Natur des Menschen, daß er eine solche Situation als unkomfortabel empfindet. Deswegen entstehen immer wieder Strukturen, die verheißen, daß man beides haben könne: Zugehörigkeit zum Christos und Zugehörigkeit zur Welt. Sie versuchen, die Herausgerufene zum Raub ihrer eigenen Wünsche und Bequemlichkeit zu machen. Aber:

Die Herausgerufene ist nicht unser!

Sie ist Eigentum des Christos. Was, bildlich gesprochen, in seinem Haus für Möbel aufgestellt und Bilder an die Wand gehängt werden (und ob überhaupt), entscheidet nur er. Wir haben uns angewöhnt, in allen möglichen Gemeindestrukturen pragmatisch nach unseren Bedürfnissen und Wünschen zu wirtschaften. Zweck der Herausgerufenen ist aber, daß der Christos Glieder auf der Erde zur Verfügung hat, durch die er in dieses Zeitalter hineinwirken kann, und nicht, daß wir ein nettes soziales Nest haben.

Wie konnte es dahin kommen?

Einen wichtigen Schlüsseltext dazu finden wir in 1. Sam. 8: Die von Gott gesetzten Strukturen erschienen den Israeliten unzureichend: Sie wollten einen König, der vor ihnen herziehe. Dabei haben sie völlig übersehen, daß sie diesen König bereits hatten: Gott selbst wollte ihnen vorangehen, sofern sie in seinen Wegen blieben. Aber sie wollten doch eine greifbarere Lösung (1. Sam. 8, 19f):

»Und das Volk weigerte sich, auf die Stimme Samuels zu hören; und sie sprachen: ›Nein, sondern ein König soll über uns sein, damit auch wir seien wie alle Nationen, und daß unser König uns richte und vor uns her ausziehe und unsere Kriege führe.‹«

Gott jedoch nimmt dieses Ansinnen persönlich (1. Sam. 8, 7):

»Und Jahweh sprach zu Samuel: Höre auf die Stimme des Volkes in allem, was sie dir sagen; denn nicht Dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, daß ich nicht König über sie sein soll

Was nun folgt, ist eine lange Geschichte des Wechsels zwischen Abfall und notdürftiger Wiederherstellung, die wir in den Büchern der Könige und der Chronik in fast ermüdendem Wechsel immer und immer wieder nachlesen können: Gefiel es dem König, in Gottes Wegen zu wandeln, betrug sich auch das Volk leidlich; neigte er dem Götzendienst zu, verfiel auch die Mehrheit des Volkes den Götzen.
Diese traurigen Prinzipien wirken auch in der neutestamentlichen Gemeinde. Der Wunsch nach einem Frontmann, der vor dem Volk steht »wie bei den Nationen« ist ungebrochen, ob dieser nun König oder Pastor heißt. So werden weltliche Leiterschaftsprinzipien in die Herausgerufene eingeschleppt, Gott aber wird als König verworfen. Man benötigt sein Wirken nicht mehr, wird man doch vom »Pastor« mit allem versorgt, was man geistlich zu benötigen meint.
Und auch die Auswirkungen sind die gleichen: Wenn der Präceptor z.B. einer Irrlehre erliegt, wird er den größten Teil der Versammlung damit anstecken, weil die Möglichkeit der Korrektur durch seine Mitbrüder weitestgehend ausgehebelt ist. Auch die pastoralen Netzwerke, welche die Hauptamtlichen untereinander verbinden und den Korrekturmangel korrigieren sollen, schaffen hier keine Abhilfe: Häufig sind sie überregional (was nebenher die Verkirchlichung fördert); aber auch das regional begrenzte Pastorenfrühstück kann diese Aufgabe nicht wahrnehmen. Nur eine Bruderschaft von Mündigen, die gemeinsam und gleichberechtigt einer Versammlung vorsteht, kann sich gegenseitig zurechtweisen.
So richtig finster wird es jedoch dann, wenn die Obersten neben ihrem Gehalt auch noch eine besondere Mittlerposition zwischen Gott und ihren Schafen, einen Priesterstatus also, beanspruchen: Dann ist der neutestamentliche Boden endgültig verlassen. Wer sich in diesem Sinne als Priester versteht, wird zum Anti-Christos[G], zu einem Anstatt-Christos, denn er beansprucht eine Position, die der Christos bereits ausfüllt. Daß diese Anti-Christoi in großer Menge auftreten, davor warnt uns schon der Apostel Johannes (1. Joh. 2, 18).
Es ist dabei immer wieder zu beobachten, daß der Wunsch einiger Leiter, über andere zu herrschen, seine Entsprechung findet in der großen Mehrheit derer, die lieber ihre Mündigkeit aufgeben als ihre Bequemlichkeit. Die Initiative zur Installation des Königtums in Israel ist nicht von Shaul ausgegangen, sondern vom Volk. Sehr wichtig ist für die geistliche Beurteilung, daß es hier eine Wechselwirkung gibt. Zugespitzt könnte man sagen: Verführung ist nicht möglich ohne solche, die sich verführen lassen wollen.


Was hat das mit uns zu tun?

Den neutestamentlichen Bezug zu dem, was hier am Beispiel Shauls prophetisch vorerklärt wird, stellt Paulos im ersten Korintherbrief her (1. Kor. 1, 12ff). Auch unter den Korinthern gab es solche, die nichts sehnlicher wünschten, als daß jemand vor ihnen herziehe — und wenn schon kein König, dann doch wenigstens ein Lehrer. Und so begannen einige, sich dem Apollos zugehörig zu rechnen, andere dem Paulos oder dem Kephas. Indem sie sich also beispielsweise »apollische« Christen nannten, wurden sie zur ersten Denomination. Paulos verwehrt ihnen dies und wirft ihnen vor, in ihrer fleischlichen Gesinnung den Leib des Christos zu zerteilen. Dabei ist es völlig unerheblich, ob die Denomination nach einer Person oder einer Lehre benannt ist. Ob sich nun jemand apollisch, evangelisch, baptistisch oder freikirchlich nennt — alle denkbaren Benennungen verlassen den Grund, den die Schrift hier abgegrenzt hat. Legal sind lediglich lokale, regionale Bezeichnungen: Die »Herausgerufene in Korinth« ist legitim, die »Herausgerufene im Hause des Nymphas« (Kol. 4, 15) ist eine erlaubte Ortsbezeichnung, während »Die Herausgerufene des Nymphas« schon eine Denomination wäre, die nicht mehr auf dem Grund des Wortes Gottes steht.
Es geht dabei nicht einfach um Kritik an irgendwelchen nebensächlichen theologischen oder lebenspraktischen Details, sondern um einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler der Denominationen, die dem Bauplan Gottes für die Herausgerufene nicht gerecht werden können. Wir alle wissen, daß die ersten Herausgerufenen voller haarsträubender Fehler waren. Es geht hier auch nicht um Vollkommenheit im Sinne einer vollständigen und richtigen Erkenntnis. Wir wissen, daß unser Erkennen stückweise und damit unvollständig ist. Es geht darum, daß es illegal ist, sich innerhalb des Reiches Gottes seine eigenen Fürstentümer abzugrenzen. In der Welt würde man dies als Hochverrat bezeichnen, und kein König, der etwas auf sich hält, duldet so etwas. Oder um es anders zu sagen: Es besteht zwar unter vielen Christen (wie ich feststellen mußte, bei weitem nicht mehr unter allen) einigermaßen Konsens darüber, daß es nicht legitim ist, das Weib seines nächsten zu begehren. Aber ausgerechnet in Bezug auf die Braut des Christos hört diese Zurückhaltung auf. An der zerren viele, zerreißen sie, wollen sie für sich haben, ja wollen sie gar zur Hurerei mit anderen Göttern verführen. Das wird ein schweres Gericht geben. Während sich viele Christen, wenn es um Fragen der persönlichen Rettung und Heiligung geht, durchaus noch auf das Wort Gottes einlassen, denken sie, wenn es um Gemeindefragen geht, daß sie nach eigenem Gutdünken herumwerkeln dürften. Da werden ganz klare Stopschilder überfahren, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wenn Paulos entsetzt fragt: »Ist denn der Christos zerteilt?!« gehen sie her und sagen: »Tja, warum eigentlich nicht?«. Das heißt: So offen wird das natürlich nicht gesagt, aber es wird so gelebt.

W
ölfe!
Wer also statt des Reiches Gottes seine Denomination baut, erfüllt exakt das Kriterium, das Paulos, wie eingangs erwähnt, den Wölfen zuschreibt: Er zieht die Lernenden (die Jünger) weg, hinter sich selbst her. Hinter sich selbst her, das heißt: Hinter sein Lehrschema, hinter seinen Namen, hinein in seine Hürde, die innerhalb des Weidelandes, das der Gute Hirte zuweist, willkürlich eine Parzelle eingrenzt, hinein in seine »Burg« — aus der wir doch, wie wir oben anhand von Hebr. 13 gesehen hatten, ge­rade herauskommen sollten. Mehr als dieses »Schafe-hinter-sich-selbst-herziehen« braucht es nicht, um nach biblischem Maßstab als Wolf zu gelten. Genau dieses Merkmal macht aber das Wesen einer Denomination aus. Es ist dabei völlig unerheblich, ob diese Wolfsnatur spontan sichtbar wird. Es sind nicht die scharfen Zähne, welche die Wölfe kennzeichnen, es ist eine Haltung, die da spricht: »Gut und schön, wenn du zu Christos gehörst, aber eigentlich mußt Du auch zu uns gehören. Du mußt doch irgendwo Mitglied sein, dich verbindlich einbringen.« Dabei wird die Wahrheit nur ein ganz klein wenig und auf den ersten Blick kaum sichtbar verbogen. Denn natürlich ist Treue, ist Verbindlichkeit gut und richtig. Aber aus dem Glied am Leib des Christos wird hier das Mitglied einer Denomination gemacht. Aus der Treue gegen den Christos wird die Treue zur Struktur. Während die Herausgerufene an ihn bindet, binden Denominationen an sich selbst.

Wenn Paulos hierfür Wolfsnatur prophetisch feststellt, dann gilt dies grundsätzlich, auch wenn dies nicht zu jeder Zeit und für jeden direkt sichtbar und wirksam wird. Es ist ein geistliches Gesetz: Diejenigen, die die Jünger hinter sich selbst herziehen, haben »Wolfsblut«, auch wenn sie erst einmal ganz liebenswert — sozusagen im Schafspelz — daherkommen. Nachdem ich selbst in letzter Zeit verstärkt mit der Wolfsnatur auch solcher denominationeller Strukturen, die ich bisher für einigermaßen harmlos gehalten hatte, konfrontiert wurde, mußte ich hier umdenken: Es kann zwar sehr lange dauern, bis die Wölfe, welche die Schafe hinter sich herziehen, anfangen, auch einzelne Schafe zu reißen. Aber geschehen wird es sicherlich.

Was habe ich als einzelner zu tun?

Zunächst: Mache Dich in dieser Frage eins mit dem Christos, indem Du nichts über Dich selbst sagst, was dieser nicht über Dich gesagt hat: Hat er über Dich gesagt, Du seiest ein Calvinist, oder Pfingstler, oder Du seiest katholisch, orthodox, evangelisch, freikirchlich oder sonst etwas? Nein? Dann sage auch Du selbst nicht solches über Dich, da Du sonst zum Lügner wirst. Denn wer dem Wort der Wahrheit widerspricht, lügt. Keiner sinne über das hinaus, was geschrieben steht (1. Kor. 4, 6), keiner auch habe demzufolge ein Bekenntnis, das über das hinausgeht, was geschrieben steht. Wenn Du dies tust, werden viele, die ihre Zuversicht auf das Fleisch setzen, es nicht ertragen. Das wird vielleicht Entscheidungen erzwingen, wo Du Dich zwischen Menschenlehre und Gottes Reden entscheiden mußt. Und dann solltest Du auf der richtigen Seite stehen. Halte Deine Augen offen nach Geschwistern, die ebenso denken und suche ihre Gemeinschaft. Es werden mit Sicherheit mehr werden, denn der Druck in den Denominationen durch fortschreitende Verfehlung wird so anwachsen, daß die letzten bisher dort noch verbliebenen Glieder, die mit dem Haupt Verbindung haben, hinausgetrieben werden. Bedenke: Wenn es stimmt, daß Denominationen — wie Paulos schreibt — den Christos zerteilen, und wenn es stimmt, daß ein zerteilter Christos nicht dem Plan Gottes entspricht, dann erwartet Gott auch nicht von uns, daß wir das System der Denominationen durch unsere Präsenz und Mitarbeit stützen. Wir entziehen dadurch unsere Kraft der eigentlichen Aufgabe. Wir bauen unser Haus, während das Haus Jahwehs verwüstet liegt:

So spricht Jahweh der Heerscharen und sagt: Dieses Volk spricht: Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, daß das Haus Jahwehs gebaut werde.
Und das Wort Jahwehs geschah durch den Propheten Haggai also:
Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüst liegt?
Und nun, so spricht Jahweh der Heerscharen: Richtet eurer Herz auf eure Wege!
Ihr habt viel gesät und wenig eingebracht; ihr esset, aber nicht zur Sättigung; ihr trinket, aber nicht zur Genüge; ihr kleidet euch, aber es wird keinem warm; und der Lohnarbeiter erwirbt Lohn für einen durchlöcherten Beutel.
So spricht Jahweh der Heerscharen: Richtet euer Herz auf eure Wege!
Steiget auf das Gebirge und bringet Holz herbei und bauet das Haus, so werde ich Wohlgefallen daran haben und verherrlicht werden, spricht Jahweh.
Ihr habt nach vielem ausgeschaut, und siehe, es wurde wenig; und brachtet ihr es heim, so blies ich darein. Weshalb das? spricht Jahweh der Heerscharen; wegen meines Hauses, das wüst liegt, während ihr laufet, ein jeder für sein eigenes Haus.
Darum hat der Himmel den Tau über euch zurückgehalten, und die Erde ihren Ertrag zurückgehalten.
Und ich habe eine Dürre gerufen über das Land und über die Berge, und über das Korn und über den Most und über das Öl, und über das, was der Erdboden hervorbringt, und über die Menschen und über das Vieh, und über alle Arbeit der Hände.
(Haggai 1, 2ff)

Wie oft wurde doch dieses Wort seiner tiefen prophetischen Bedeutung beraubt, indem gesagt wurde, hier ginge es um solche, die ihre Wohnhäuser bauen, statt lieber in ihre Kirchen zu investieren. Tatsächlich ist die neutestamentliche Dimension eine viel tiefere: Zurechtgewiesen werden hier diejenigen, die ins Fleisch säen (Gal. 6, 8) und ihre Denominationen bauen, die Häuser, denen sie einen Namen gegeben haben, und die dadurch zu ihren Häusern geworden sind, statt wirklich im geistlichen Bereich zu säen und das Haus Jahwehs zu bauen, das eben nicht katholisch oder baptistisch oder was auch sonst ist, und das keine menschliche Benennung trägt.

Die Wahrheit über die Realität stellen

Wenn wir erst einmal verstanden haben, daß die Prophetie Haggais eine prophetische Ebene aufweist, die sich nicht an den gewöhnlichen Häuslebauer richtet, sondern eine geistliche Beurteilung menschlicher Gemeindemodelle enthält, werden wir bald fest­stellen, daß sie die Situation der Denominationen unserer Tage treffend beschreibt: Niemand wird geistlich wirklich gesättigt, und statt des verheißenen Überflusses wird der Mangel verwaltet. Das Mißverhältnis evan­ge­listischer Anstrengungen zu ihrem Erfolg ist legendär — »Ihr habt viel gesät und wenig eingebracht …« — und den meisten Evangelikalen ist durch­aus bewußt, daß mit »Gästegottesdiensten«, Zelt­evangeli­sationen und dergleichen, von wenigen Aus­nahmen abgesehen, kaum Außen­stehende erreicht werden. Selbst in Frei­kirchen, die sich als »bibel­treu« bezeichnen, ist trotz sonntäg­licher Bepredigung kaum wirklich im Alltag anwendbares Bibelwissen vorhanden: »… ihr esset, aber nicht zur Sättigung; ihr trinket, aber nicht zur Genüge«. Scharen professioneller Pastoren sind damit be­schäftigt, immer neue Konzepte zu entwickeln, welche die Gemein­den attrak­tiver machen sollen, um »Erweckungen« zu gene­rieren oder um wenig­stens den gegenwärtigen Stand erhalten zu können: »Ihr habt nach vielem ausgeschaut, und siehe, es wurde wenig; und brachtet ihr es heim, so blies ich darein«. Ganze Gemeindebewegungen wurden auf die Beine gestellt, um durch Mitgliedschaftswachstum den Eindruck von Fruchtbarkeit zu erwecken, und doch »hat der Himmel den Tau über euch zurückgehalten, und die Erde ihren Ertrag zurück­gehalten«.
Es scheint dies nun aber nicht zu einem Nachdenken über die Ur­sachen zu führen, und wer immer sich heute verweigert, an diesen Behausungen menschlicher Religiosität mitzubauen, muß sich genau wie damals anhören: »Die Zeit ist nicht gekommen, daß das Haus Jahwehs gebaut werde. Wir können doch nicht einfach so tun, als hätte es zweitausend Jahre Kirchengeschichte nicht gegeben! Wir müssen doch von den heutigen Gegebenheiten ausgehen.« Ja, müssen wir das wirklich? Lassen wir uns von den Gegebenheiten regieren oder vom Wort Gottes? Wann werden wir aufstehen und die Wahrheit (des Wortes Gottes) über die Realität (der Kirchen­geschichte) stellen?


Was geht mit gesetzmäßiger Sicherheit schief?

Wer nun versucht, geistliche Einheit zu produzieren, indem er Gemeinschaft zwischen Denominationen organisiert statt diese niederzureißen — wer also ökumenisch denkt — verfehlt das Thema. Wölfe werden nicht dadurch harmlos, daß sie sich zusammenrotten.

Worum es hier nicht geh
t
Keineswegs geht es hier darum, all diejenigen, die sich (noch) in Denominationen versammeln, als Wölfe zu bezeichnen. Es geht aber darum, den Blick dafür zu schärfen, daß Denominationen zu keinem Zeitpunkt einen Platz in Gottes Bauplan der Herausgerufenen hatten. Nur, weil eine Mehrheit der Christen dies jahrhundertelang ignoriert hat, wird Gott seine Meinung dazu nicht ändern. Nie. Wer bereit ist, den schmalen Weg der Treue zu gehen, muß also damit rechnen, daß er früher oder später aus den Denominationen herausgeführt wird. Darauf möchte ich vorbereiten — und auch auf den Druck und die Vorwürfe, die dies mit sich bringen wird. Allein der Gedanke ist für viele ja schon befremdlich, da unser Denken durch die vergangenen Jahrtausende der Kirchengeschichte so verdreht wurde, daß viele sich geistliches Leben außerhalb der Denominationen nur schwer vorstellen können.

Von der Schrift her gesehen ist es aber genau umgekehrt: Stellen wir uns für einen Moment jemanden vor, der auf einer einsamen Insel strandet, dort eine Bibel findet und die Zeit seiner »Gefangenschaft« zum intensiven Schriftstudium nutzt, dadurch Christ wird, ohne aber je mit den theologischen Konstrukten und Gepflogenheiten anderer Christen in Berührung zu kommen. Dieser würde nie auf die Idee kommen, daß die kirchlichen Systeme unserer Tage eine legitime Ausformung dessen sein könnten, was er da in seiner Bibel über die Herausgerufene[G] gelernt und gefunden hat. Würde ihn irgendwann doch ein Fischkutter einsammeln und in die Civilisation zurückbringen, würde er wohl in jeder Kirche oder Freikirche scheitern. Entweder würde er als Rebell ausgegrenzt werden oder sich mit der Zeit von Christos wegbiegen lassen, um seine Ruhe zu haben. Wir leben oft so, als wären die vorgefundenen Strukturen »gottgegeben« und jeder, der sie ablehnt, ein Querulant. Die tatsächliche Rebellion besteht jedoch darin, ein System aufrechtzuerhalten, das nicht schriftkompatibel ist. Rebellion ist nicht, anderer Meinung zu sein als der Pastor. Rebellion ist, klüger sein zu wollen als Gott.

 


Zur Denominationsfrage siehe auch den Artikel »Brot, Wein und Gericht«.

Zum Thema Klerikalismus siehe auch den Artikel »… bereits gefallen.«

Zu Hebr. 10, 25 siehe den Artikel »Die Versammlung verlassen?«

 

 

Nachtrag 27. 1. 2013: Unter dem Titel »… hinter sich selbst her.« ist jetzt eine .pdf-Broschur verfügbar, welche die Artikel »Wolfsblut«, »Brot, Wein und Gericht«, »Die Versammlung verlassen« und »An den Flüssen Babylons« beinhaltet. Diese kann heruntergeladen und auch als gedrucktes Heft über das Kontaktformular bestellt werden.

 

 

 

 

 Ergänzend zum Thema kann durch Klick auf folgende Graphik die .pdf-Broschur »Außerhalb des Lagers · über das Wohnen in Laubhütten — Gedanken zu Sukkot« von herausgerufene.de heruntergeaden werden:

 

 

 

Graphik: © Geier

 

 

 

 

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