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Viola / Barna · »Heidnisches Christentum?«
4. Februar 2011
Frank Viola / George Barna
Broschiert, 336 Seiten
€ 16
Gloryworld-Medien Bruchsal, 1. Auflage 2010
ISBN-10: 3936322430
ISBN-13: 978-3936322439
Originaltitel: »Pagan Christianity?«
Bibelleser wissen: Viele der Elemente, die heute gemeinhin als »christlich« wahrgenommen werden, haben keine biblische Basis, sondern sind erst viel später von außen in das hereingetragen worden, was heute landläufig als »Christentum« bezeichnet wird. Dieser unerfreuliche Befund betrifft bei weitem nicht nur die großen Volkskirchen, sondern auch die evangelikalen und sonstigen Freikirchen, die sich oft so viel auf ihre Bibeltreue zugutehalten.
Das schlimme daran ist, daß die Wahrnehmung der (frei)kirchlichen Realität und die Gewöhnung daran sogar das Schriftverständnis beeinträchtigen. So werden zum Beispiel die biblischen Aussagen über den Hirtendienst mit größter Selbstverständlichkeit zur Rechtfertigung der heutigen professionalisierten pastorenkirchlichen Strukturen herangezogen, obwohl das eine mit dem anderen nichts gemeinsam hat. Die schriftwidrige Realität wird in die Bibel hineinprojiziert, und so werden mit großer Selbstverständlichkeit theologische Schlüsse gezogen, die einem unvoreingenommenen, kirchengeschichtlich unvorbelasteten Bibelleser im Leben nicht in den Sinn kommen würden. Diese Ausgangslage macht dieses Buch so wichtig.
Mose wurde angewiesen, die Wohnung Gottes genau nach dem Muster zu bauen, das ihm offenbart worden war (2. M. 25, 9) Warum aber wird dieses Gebot im Neuen Testament noch zweimal angeführt (Hebr. 8, 5; Apg. 7, 44)? Auch, was die Gestalt von Gottes Wohnung des Neuen Bundes angeht, gibt es klare Anweisungen. Was aber tatsächlich in den letzten Jahrtausenden errichtet wurde, ist durchaus kein Spiegelbild dieses göttlichen Musters, es ist vielmehr das, was ich gemeinhin als »menschliche Schwarzbauten auf dem Grund und Boden Gottes« bezeichne.
Frank Viola und George Barna haben sich der Fleißarbeit unterzogen, die Ursprünge vieler als christlich angesehener Gepflogenheiten zu recherchieren und das Ergebnis zwischen zwei Buchdeckel zu pressen. Vieles ist zwar bekannt, aber in so konzentrierter Form ist es doch erschreckend, zu lesen, wieviel heidnisches, manchmal occultes, manchmal schlicht philosophisches, psychologisches, weltweises Gedankengut das schriftgemäße Zeugnis verfälscht und verwässert hat. Sakralgebäude, Kanzel, Amtsverständnis, Hierarchie, Predigt, Finanzierung, Kleidung, Chor, theologische Ausbildung — vieles, was heute selbstverständlich scheint, wird von den Autoren auf seinen Ursprung hin abgeklopft und kann (zumindest in den heute gebräuchlichen Formen) einem schriftgemäßen Urteil nicht standhalten.
Dem Buch liegt eine beachtliche wissenschaftliche Leistung zugrunde, trotzdem ist es gemeinverständlich geschrieben. Freilich merkt man, daß die Autoren ständig mit der Schwierigkeit konfrontiert waren, die schiere Fülle kirchengeschichtlichen Materials soweit zu beschränken, daß der Umfang des Buches nicht ausufert. So haben sie sich entschlossen, einen beträchtlichen Teil der Informationen in Fußnoten zu verbannen, die manchmal den größeren Teil der Seite einnehmen. Wer die Fußnoten konsequent mitliest, um keine Information zu verpassen, muß mit den Augen ständig zwischen Text und Apparat hin- und herspringen, was dem Lesefluß nicht gerade förderlich ist. Trotz dieses didaktischen Mankos kann ich das Buch empfehlen*. Das Thema ist einfach zu wichtig, um sich durch Stilfragen davon abhalten zu lassen, sich damit auseinanderzusetzen.
Da die Kirchengeschichte trotz aller Reformationsbestrebungen in ihrer Summe immer noch eine Geschichte der Entfernung und Entfremdung von Christus ist, sollte man dieses Buch als Einladung lesen, sich auf den Rückweg, auf den Heimweg zu machen.
Eine Leseprobe findet sich hier.
*Die Empfehlung für dieses Buch bedeutet nicht, daß ich alles empfehlen würde, was Frank Viola schreibt. Mir sind durchaus auch Texte von ihm begegnet, die ich nur mit Einschränkungen oder gar nicht empfehlen könnte.
Eine gekürzte Fassung dieser Rezension ist in der »factum« 2/11 erschienen.
© Photo: Geier