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Auftritt in der Arena


By Geier - Posted on 21 Juni 2009

21. Juni 2009

Früher mußte die römische Plebs in den Circus gehen, um begeistert zusehen zu können, wie die Christen den wilden Tieren vorgeworfen wurden. Heute liest sie am heimischen Rechner den »Spiegel«.

 

 

Die im Jemen verschleppten Deutschen haben wahrscheinlich unter Moslems missioniert. Dies berichtet z. B. Spiegel online:

 

Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes hat Erkenntnisse, wonach aufgebrachte Muslime den deutschen Techniker Johannes H. bedrohten und aufforderten, seine Missionierungsversuche einzustellen. Der Mann aus Sachsen schilderte den Zwischenfall in einem Rundbrief an Freunde in Deutschland.
Er habe in einem Teehaus in Saada einen Muslim kennengelernt und mit ihm spirituelle Gespräche geführt. "Außerdem", berichtete Johannes H., "ermutigte ich ihn, die Bibel zu lesen." Nach einiger Zeit sei allerdings der Bruder des Mannes in dem Krankenhaus in Saada erschienen, in dem Johannes H. und seine Frau Sabine arbeiteten, und habe ihm gedroht, ihn bei den geistlichen Autoritäten anzuzeigen. Der Missionsversuch, habe der Mann zu H. gesagt, sei bereits Diskussionsthema in den Moscheen.
Offenbar schenkte der Vater von drei kleinen Kindern der Warnung aber wenig Beachtung. "Betet für seinen Glauben", bat Johannes H., "und dass er tatsächlich zum Glauben kommt und Jesus als seinen Herren annimmt."
Auch in den Hinterlassenschaften der von den Entführern erschossenen deutschen Frauen Rita S. und Anita G. aus dem westfälischen Lemgo fanden die Ermittler Missionsschriften.

 

 Der Artikel liest sich, als solle er den Eindruck erwecken, die Entführten seien irgendwie selbst Schuld an der Situation, auch wenn dies nicht in dieser Deutlichkeit gesagt wird. Immerhin haben sie mit Moslems über die Bibel gesprochen, »Missionsschriften« in ihrem Gepäck gehabt, »Warnungen wenig Beachtung geschenkt« und sich außerdem bei einer Organisation namens »Weltweiter Einsatz für Christus«, die Mitglied in der »Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen« ist, auf ihren Jemenaufenthalt vorbereitet. Und evangelikal, das wissen wir ja, ist fundamentalistisch und damit ganz ganz böse! Da müssen sich die evangelikalen Fundamentalisten ja nicht wundern, wenn die islamischen Fundamentalisten zurückschlagen.
Daß der Fundamentalismus der einen sie dazu leitet, bei einem Gespräch im Teehaus zum Bibellesen zu ermutigen, während der Fundamentalismus der anderen sie dazu bringt, eben mal »drei ihrer Opfer mit Kopfschüssen in einem Flußbett zu exekutieren«, wie der Spiegel weiter berichtet, scheint kaum noch jemanden zu dem Gedanken zu veranlassen, daß Fundamentalismus und Fundamentalismus eben doch zwei grundverschiedene Dinge sein können.

Für einige Spiegelleser scheint das zumindest keine Rolle zu spielen, wie man in den Kommentaren lesen kann.
»Varkii« schreibt zum Beispiel: 

 »Ich habe nichts gegen Christen oder angehörige irgendeiner Religion, aber MISSIONIERUNG ganz allgemein gesprochen ist für mich nicht akzeptabel. Solche Leute tun mir weder Leid noch würde ich sie in irgendeiner Weise schützen oder unterstützten. Eingesperrt gehört dieses Psck ganz egal welcher Glaubensrichtung und welcher Nationalität. … Sofern sich aber der Missionierungsverdacht bestätigen sollte, sollte man sich eher freuen, dass er ein paar Missionierer weniger auf der Welt gibt anstatt sie für die "Nebenwirkungen" ihrer Bekehrungsversuche zu bemitleiden. x.o In meiner Welt gibt es keinen Platz für Religionsfanatiker, die sich nicht damit zufrieden geben ihren eigene Glauben für sich selbst privat zu verfolgen, sondern auch noch andere Menschen damit belässtigen müssen.«*

 

Leser »forumgehts?« hält sich für besonders witzig:

 »Schon die alten Römer waren ganz begeistert vom Missionseifer der Christen. Sie liessen sie sogar in ihren Arenen auftreten.«

während »güti« schreibt:

 »Diese evangelikalen Fanatiker werden die große heruasforderung der Welt in unserem Jahrhundert. Ihre engstirnige Denkweise und ihre radikaler Misssionierungseifer machnen auch mir als katholikem Angst.«

 
Da können einem ja wirklich die Tränen kommen. Wahrscheinlich traut sich »güti« aus lauter Angst vor militanten Protestanten, die ihm (oder ihr) auflauern und den Katholizismus aus dem Leib prügeln wollen, schon gar nicht mehr unbewaffnet aus dem Haus, das sicherlich auch zum Schutz vor »evangelikalen Fanatikern« mit Zugbrücke und Stacheldraht gesichert ist. Was für ein Fanatismus auch, andere Leute auf die Bibel hinzuweisen, Moslems und Katholiken am Ende gar noch! Es wird übrigens auch nicht so ganz deutlich, wie »güti« den katholischen Missionseifer in sein bzw. ihr Weltbild einordnet, von »engstirniger Denkweise« will ich jetzt mal gar nicht anfangen.
Jedenfalls scheint es ganz hervorragend zu funktionieren, ein künstliches Feindbild zu stricken, indem man
solche Leute, die an Verbalinspiration glauben und dem Kreationismus anhängen, als gefährliche Irre darstellt, als Fundamentalisten, gar Fanatiker, als Leute jedenfalls, vor denen man Angst haben müsse.

Das Vaterlands-Blog

vermerkt dazu:

Merke: Nicht die Islamisten, die die Christen ermordeten, sind engstirnig, sondern die Christen selbst sind es. Diese rassistische Rechtfertigungsideologie hieße dann auf Deutschland übertragen: Jeder Muslim, der hier versucht, Christen zum Islam zu missionieren, dürfte dann von Christen getötet werden, denn Religiöse, die andere missionieren wollen, sind kranke Fanatiker und die Welt sollte sich freuen, wenn es ein paar Missionare weniger gibt.

Ich bin mir allerdings sehr sicher, dass exakt die gleichen Gütis und Varkis in dem Fall vor Wut und Hass schäumen und nicht das geringste ‘Verständnis’ zeigen würden. Mehr noch – eine dermaßen rassistische Rechtfertigung, vorgetragen in einem Forum, würde in dem Fall nicht lange stehen bleiben, sondern ruck zuck gelöscht werden.


Nachtrag 22. Juni: Der Deutschlandfunk schlägt heftig in die selbe Kerbe, wie
dieser Hörbeitrag zeigt.

Nachtrag 26. Juni: Auch die F.A.Z. kommentiert das Geschehen, wobei so nebenbei das curiose Missionsverständnis der Evangelischen Landeskirche herauskommt:
Citiert wird Martin Schindehütte, der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland: »Daß man sich so verhalten darf, gehört zur Religionsfreiheit«, meint er und fordert, die Schuld an ihrem Tod nicht bei den beiden Bibelschülerinnen zu suchen. Selbst ein »offensives Missionsverständnis« rechtfertige keine Ermordung. … Er kritisiert auch die biblizistische Interpretation der Heiligen Schrift der Evangelikalen. Ein Fall wie der der beiden Bibelschülerinnen aus Brake wäre hier (also im kirchlichen Missionswerk) nach eigenen Angaben nicht möglich, weil das EWM ausschließlich in Zusammenarbeit mit Partnerkirchen wirke und selbst keine Pioniermission betreibe. Wo wie im Jemen keine Kirche existiere, dorthin reisten auch keine Missionare, heißt es aus dem EMW.
Aha. Wo es ohnehin keine Christen gibt, muß man auch gleich überhaupt nicht missionieren. In gewissem Sinne ist das durchaus folgerichtig. Vielleicht steckt ja die Erkenntnis dahinter, daß die Großkirchen selbst ein gigantisches brachliegendes Missionsfeld sind — Christen im biblischen Sinne sind dort ja eher nicht so viele zu finden. Ob das EMW dem allerdings abhilft, ist auch wieder fraglich.

Nachtrag 30. Juni: Wie das Blog »homo homini lupus« berichtet, hat die Printausgabe des Spiegel noch einmal an Aggressivität nachgelegt:

»Die Tragödie von Saada führt in jenes Milieu bibeltreuer Christen, die in alle Welt ausschwärmen, um den Armen zu helfen und sie auf den rechten Pfad zu Jesus Christus zu führen. Es ist, in Gottes Namen, ein Milieu, dessen Tonfall sich zuweilen nur in Nuancen von dem fanatischer Muslime unterscheidet

Wie uninformiert oder böswillig muß man eigentlich sein, um solche Sätze in die Tastatur zu hacken? Als letztens die Q-Rage — diese Schülerzeitung, die immerhin mit Fördergeldern der Bundeszentrale für politische Bildung in großer Auflage erscheint und an Schulen verteilt wird — etwa den gleichen Stuß verbreitet hat, konnte man noch sagen: Na ja, sind halt unreife Jugendliche, die müssen halt noch lernen, daß vor dem Schreiben die Recherche kommt. Aber ein sogenanntes deutsches Qualitäts- und Leitmedium? Ist denen das nicht peinlich, so auf Schülerzeitungsniveau zu rutschen (wobei ich damit nicht Schülerzeitungen pauschal herabsetzen will, es gibt da sicherlich sehr ordentliche Produkte).
Ein Kommentator im citierten Blog hat geschrieben: »Moslems werden zu Märtyrern, wenn sie ihre Feinde hassen und töten. Christen, wenn sie ihre Feinde lieben und ihnen Gutes tun.«

 


* Die Citate habe ich in ihrer Original-Orthographie belassen.

  

 

Bildquelle: Wikipedia

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