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Die Milz im Safe des Erzbischofs — Organklau einmal anders


By Geier - Posted on 12 Juni 2010

12. Juni 2010

 

Nun liegt es mir normalerweis ja fern, Aufklärer wie Lichtenberg zu citieren, aber wenn sie schon mal recht haben, so sei es denn:

»Ich glaube, man lästert den Namen Christi, wenn man die katholische Religion, so wie sie in Spanien und Portugal herrscht, unter die christlichen nennt.«

Wobei: Die Einschränkung auf Spanien und Portugal will mir nicht ganz einleuchten. Denn anderswo ist der Katholizismus schließlich auch nicht so viel unkatholischer. Es ist aber auch gar zu krude: Man stelle sich nur vor, daß jemand eine Religionsgemeinschaft gründen würde, die Toten innere Organe entnimmt, einweckt und versteckt, um diese Jahrzehnte später wieder hervorzukramen und öffentlich auszustellen, um eine große Zahl von Anhängern ebendieser Religion zu veranlassen, zu diesen Leichenteilen zu pilgern und diese zu verehren — und dann auch noch die Dreistigkeit besitzt, diesen absurden Götzendienst christlich zu nennen. Würde nicht jeder, der sich einen Rest geistlichen Verständnisses bewahrt hat, eine solche Gemeinschaft als occulte, nekrophile Sekte übelster Art bezeichnen? Würde man nicht an der geistigen Gesundheit zweifeln von jedem, der solches praktiziert oder andere dazu anstiftet, solches zu praktizieren? Nun muß niemand eine solche Sekte gründen; es gibt sie schon, und nur deshalb, weil sie keine Neugründung eines geisteskranken Excentrikers ist, sondern seit Constantins Tagen bestens etablierte Realität, gibt es immer noch etliche, die ihr ihre Rolle als staatstragende »christliche« Gemeinschaft abkaufen.

Aber der Reihe nach: 1984 wurde der polnische Pfarrer Popiełuszko von kommunistischen Geheimdienstlern ermordet. Damit lag es nahe, ihn als Märtyrer anzusehen, auch wenn die Gründe für seine Ermordung wohl eher in seiner politischen Betätigung als in seinen geistlichen Überzeugungen gelegen haben mögen. Wie nun die heutige F.A.Z. berichtet, gab es bereits damals Katholiken, die damit rechneten, daß er aufgrund seines spektakulären Todes später durch die RKK selig- oder heiliggesprochen werden könnte. Und was braucht man als Katholik für die Vergötzung eines solchen »Seligen« oder »Heiligen«? Richtig: Reliquien. Und das sind nun mal in aller Regel in erster Linie Leichenteile. Folgerichtig und vorausschauend haben also Katholiken damals bei der Obduktion Teile von Leber, Milz und Nieren illegal beiseitegeschafft und in Formalin eingelegt. Auch Blut wurde sichergestellt und in Gefäße haltbar abgefüllt. Damit die Kommunisten der Leichenteile nicht habhaft werden konnten, wurden diese in der tiefsten Provinz in einer kleinen Ordenskapelle in Białystok in eine Wand eingemauert, wo sie das Ende des Kommunismus erfolgreich überdauerten. Die Sache wurde damals katholischerseits ordnungsgemäß in mehreren Ausfertigungen protokolliert und anschließend geheimgehalten.

Nun ist zwar der Kommunismus in Polen einigermaßen am Ende, nicht aber der Katholizismus, so daß die Leiche Popiełuszkos noch immer keine Ruhe finden kann. Denn dieser wurde erwartungsgemäß am letzten Sonntag unter lebhafter Anteilnahme des Papstes »zur Ehre der Altäre erhoben«, also »seliggesprochen«, wodurch der Orden in Białystok auf einmal im Besitze höchst wertvoller Reliquien ist, eben dieser oben erwähnten Innereien, die jetzt prompt »aufgefunden« wurden. Nun wurden diese einstweilen im Safe des Erzbischofs zwischengelagert und sollen demnächst in einer Kirche öffentlich ausgestellt werden. Schon im April war in Erwartung der »Seligsprechung« das Grab Popiełuszkos geöffnet worden, um ihm Leichenreste zu entnehmen. Denn mehr als hundert Pfarreien hatten um Überlassung von Reliquien gebeten, woraus man ablesen kann, daß es eben nicht nur einzelne verirrte Seelen innerhalb der katholischen Kirche sind, die solcherart Totenkult treiben, sondern dies innerhalb der Denkmuster der RKK als ganz normaler Vorgang durchgeht. Außer Knochen wird im Grab freilich nicht mehr viel zu holen gewesen sein, so daß Białystok damit rechnen kann, ganz klar als Gewinner dazustehen. Denn es geht neben innerkatholischem Prestige nicht zuletzt auch um sehr viel Geld bei der Reliquienverehrung: Wer die attraktivsten Leichenteile besitzt, kann die größten Pilgerströme anziehen. Schon vor seiner Seligsprechung soll sein Grab von schätzungsweise 18 Millionen Katholiken besucht worden sein; so eine heilige Milz kann sich also zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor für das Städtchen Białystok entwickeln. Anläßlich der »Seligsprechung« wurde nun bereits eine vergoldete Schachtel mit Knochen in einer Prozession in das Warschauer »Heiligtum der göttlichen Vorsehung« überführt, einen Kirchenrohbau, der zu einer gigantischen Kathedrale mit einer Kuppelhöhe von 64 Metern werden soll.

Jedenfalls kann man an solchen Geschichten auch sehen, warum Katholiken so wenig Berührungsängste mit anderen morbiden Kulten wie z. B. Voodoo haben, einem destructiven Todeskult, der nicht zufällig in Haïti extrem verbreitet ist, wo achtzig Prozent der Bevölkerung katholisch sind und gleichzeitig die Hälfte bis drei Viertel Voodoo praktizieren sollen, was eine gewaltige Schnittmenge ergibt.

Trotz allem: In Deutschland darf sich die RKK weiterhin »christlich« nennen; dafür gibt es zwar keine geistliche Berechtigung, aber eine juristische Handhabe: Das Verwaltungsgericht Freiburg hat am 10. Februar die Klage einer anderen occulten Sekte abgewiesen, die es der RKK untersagen wollte, sich weiterhin »christlich« zu nennen, da ihr Verhalten im Widerspruch zur Lehre von Jesus Christus steht. Allerdings hat das Gericht die Sache lieber nicht weiter untersucht, sondern einfach festgestellt, daß die klagende Sekte keine Klagebefugnis habe, da sie schließlich »nicht zur Wahrnehmung oder Durchsetzung des Persönlichkeitsrechts von Jesus Christus berechtigt« sei — was nun wiederum zweifellos richtig ist. Aus dem gleichen Grunde ist übrigens im März eine Klage der selben Sekte vor dem Verwaltungsgericht Hannover gegen die Evangelische Kirche gescheitert.

 

 

 

 

Siehe auch die Geiernotizen

»Dämonenlehre«

»gemäß Fleisch«

»… jeder, der auf sie vertraut«

»Selbstgebastelt — über die Probleme von Hausmacher-Religionen«

 

 


Photo: Das Objekt der Verehrung — menschliche Milz (hier nicht die von Popiełuszko);

Creative-Commons-Lizenz, Urheber: Gloecknerd via Wikipedia

 

 

 

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