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Nachspiel
6. Mai 2010
Dabei hatte sich das Jugendamt Erlangen alles so schön ausgedacht! Wie in China den Verwandten von Hingerichteten die Kosten der Hinrichtung in Rechnung gestellt werden — zumindest dann, wenn sie den Leichnam ausgehändigt haben wollen — so sollte auch Familie Busekros die Kosten für die zwangsweise Heimunterbringung ihrer Tochter zahlen, die das Jugendamt 2007 mit Polizeigewalt hatte entführen lassen.
Und jetzt das: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof attestierte dem Jugendamt Ahnungs- und Ratlosigkeit. Das Jugendamt habe sich damals auf Vermutungen statt auf Fakten gestützt, nebulöse Begründungen produziert und das ganze auch noch dürftig dokumentiert. Der Kostenbescheid — immerhin geht es um eine vierstellige Summe, die die achtköpfige Familie zahlen sollte — ist damit vom Tisch.
Aber die Bedeutung dieses Urteils reicht natürlich weit über diese Kostennote hinaus. Das wird deutlich, wenn wir uns noch einmal verdeutlichen, was damals abgelaufen ist: Melissa wurde nach einiger Zeit des Heimunterrichtes mit großem Polizeiaufgebot aus ihrer Familie gerissen, zuerst mit der absurden Diagnose einer »Schulphobie« zwangsweise in die Jugendpsychiatrie eingewiesen (was die Bibel zum Thema ungerechtfertigter Psychiatrisierung sagt, hatte ich ja unlängst hier erörtert) dann durch verschiedene Kinderheime gereicht und schließlich ausgerechnet auf einen esoterisch orientierten Bauernhof verbracht. Von dort konnte sie — nach mehreren Monaten der gewaltsamen Trennung von ihrer Familie — schließlich nach Hause fliehen, und da die ganze Angelegenheit inzwischen international eine Menge Staub aufgewirbelt hatte, wurde auf eine erneute Verhaftung des Kindes verzichtet. Ein älterer Kommentar von mir zu der Affaire findet sich hier.
Weil das Jugendamt die Familie nun auch noch dadurch demütigen wollte, daß sie ihr die Kosten für den Entzug der Tochter aufbrummen wollte, mußte es sich jetzt vom Gericht anhören, daß es für alles Leid, das der Familie damals angetan wurde, niemals Vernunftgründe gegeben hat — soviel also zum Thema jugendamtlicher »Kindswohlorientierung«.
Die schlechte Nachricht: Die Kosten tragen nun freilich nicht die Schuldigen an dem Desaster, sondern der Steuerzahler. Und die noch viel schlechtere Nachricht: Die unglaubliche Macht der Jugendämter, auf der Basis von Ratlosigkeit und unbegründeten Vermutungen Familien zu zerstören, ist nach wie vor ungebrochen. Die ganze Polizeigewalt steht den Jugendämtern im Rahmen der Amtshilfe zur Verfügung, und die Polizisten prüfen natürlich nicht die Berechtigung eines jugendamtlichen Ersuchens, die rücken in Mannschaftsstärke an und holen Kinder aus den Familien, mitten im Rechtsstaat Deutschland, und ohne, daß dazu ein Gerichtsbeschluß vonnöten wäre. Der deutsche Beamte befolgt Befehle und tut seine Pflicht, wie er das schon immer getan hat, und bis die Eltern rechtliches Gehör gefunden haben, können Monate oder gar Jahre unvorstellbaren Leidens vergangen sein. Einer Kontrolle, die ihrer Machtfülle entsprechen würde, unterliegen die Jugendämter nicht, sie sind sozusagen ihre eigene Aufsichtsbehörde. Die Causa Busekros lehrt auch: Wo die Jugendämter ärztlicher Gutachten bedürfen, werden sie diese für gewöhnlich auch bekommen, schließlich hat der Gutachter ein vitales wirtschaftliches Interesse daran, auch weiterhin mit dem Jugendamt zusammenarbeiten zu dürfen.
Der neueste Trend im Kampf gegen die Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Heimschüler heißt aber »Elternverhaften«. In letzter Zeit scheinen sich die Fälle zu häufen, daß Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, in Erzwingungshaft genommen werden. Teilweise geschieht dies sogar schon, wenn Eltern, deren Kinder durchaus die öffentliche Schule besuchen, diese aus Gewissensgründen nur vom Besuch occulter Theaterstücke oder vom Sexualkundeunterricht fernhalten. Daß das Kindswohl längst in den Hintergrund getreten ist und das Prinzip der Schulpflicht ohne Rücksicht auf Verluste verfochten wird, ist beispielsweise hier nachzulesen. Eva Herman berichtet von einer Mutter von acht Kindern, die in diesem Jahr, von dem ja gerade mal ein Drittel vergangen ist, schon zweimal verhaftet wurde. Da sie die erste Erzwingungshaft erst antreten konnte, nachdem sie das jüngste Kind abgestillt hatte, war schon nach kurzer Zeit der nächste Hafttermin fällig. Wiederum: Was dies für das Wohl der Kinder bedeutet, scheint im Jugendamt niemanden zu interessieren. Diese Kinder kommen ja durchaus nicht aus Familien, wo sie vernachlässigt werden; im Gegenteil legen Eltern, die diesen steinigen Weg gehen, gerade überdurchschnittlichen Wert auf die gewissenhafte Erziehung ihrer Kinder. Nun müssen diese Kinder ansehen, wie ihre Eltern als gemeine Kriminelle behandelt werden, abgesehen davon, daß die Eltern den Kindern eben einfach wochenlang nicht zur Verfügung stehen, was besonders kleine Kinder überhaupt nicht einordnen können und was ihrer gesunden Entwicklung nachweislich schadet.
Trotzdem Familie Busekros nun also die Kosten für Melissas Entführung nicht tragen muß, fehlt es akut an Geld, denn die Kindergeldkasse hat in letzter Zeit Zahlungen eingeschränkt und verweigert und von der Vorlage von Bescheinigungen über Kindergarten- und Schulbesuch abhängig gemacht, obwohl in Deutschland gar keine Kindergartenpflicht besteht — jedenfalls bisher nicht. Durch das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch hier Bewegung in die Sache gekommen und das Amt fühlt sich nun bemüßigt, den ganz beträchtlichen Zahlungsrückstand abzutragen.