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Altershochmut


By Geier - Posted on 18 Februar 2010

18. Februar 2010

 

 

Der Kotzker Rebbe Menachem Mendl Morgensztern (1787 — 1859) sagte einmal:

»So wie es die Art des Affen ist, den Menschen zu imitieren, so imitiert auch der Mensch, wenn er alt wird, sich selbst, und tut, was seinen vorherigen Gewohnheiten entspricht.« 

 

und David Sacks erklärt dazu in einem Artikel zu Neujahr (Rosch H’Schanah):

»In anderen Worten: An einem bestimmten Punkt ihres Lebens werden die meisten von uns — sei es bewußt oder nicht — zufrieden damit, wer sie sind und was aus ihnen geworden ist. Als solche hören wir auf, größere geistliche Höhen anzustreben. Wir sind zufrieden damit, unsere verbleibenden Tage als eine bloße Imitation unserer selbst zuzubringen.«

 

Habt Ihr schon mal festgestellt, daß auch viele Christen ab einem bestimmten Alter nicht mehr bereit sind, etwas dazuzulernen oder gar etwas an ihrem Leben zu ändern? Irgendwie scheinen sie zu denken, sie wüßten schon alles. Bei einigen setzt dieses Alter ja unmittelbar nach ihrer Bekehrung ein, weil sie denken, mit diesem »Freifahrtschein zum Himmel« alles zu haben, was sie brauchen. Aber auch viele andere scheinen irgendwann nur noch damit beschäftigt, den Bestand an aufgehäufter Erkenntnis zu verteidigen und nehmen jede Herausforderung ihres Lehrsystems — auch wenn sie biblisch begründet ist — nur als Bedrohung wahr, gegen die man aus allen Rohren feuern müsse. Dabei gilt auch für die Alten, daß unser Erkennen in diesem Zeitalter unvollständig bleibt (1. Kor. 13, 9), daß es also immer  noch etwas zu korrigieren gibt. Das Wort »Jünger« (μαθητης) heißt nämlich »Lernender«, was bedeutet, daß diejenigen, die zu lernen aufhören, aus der Jüngerschaft herausfallen. (Diejenigen, die gemäß 2. Tim. 3, 7 immerzu lernen, ohne je die Wahrheit zu erfassen, sind ein anderes Thema.)

Und tatsächlich: In 2. Petr. 3, 16 muß Petros feststellen, daß es ausgerechnet die Unbefestigten und Lernfaulen (wörtlich: die »Unlernenden«) sind, die die Briefe von Paulos entstellen, wohl weil sie sie nicht verstehen. Trotz dieser Warnung (die schon deshalb oft nicht wahrgenommen wird, weil hier viele Bibelübersetzungen die Lernfaulheit einfach zur »Unwissenheit« umschreiben, geradeso, als würde es sich um eine Art von »gottgegebener« Dummheit handeln, gegen die man nichts machen könne), gibt es einen großen Unwillen, liebgewordene Denkgewohnheiten daraufhin zu überprüfen, ob sie nur traditionell oder tatsächlich biblisch begründet sind. Und mit zunehmendem Alter scheint auch dieser Unwille zuzunehmen. Dabei gibt es nach zweitausend Jahren Kirchengeschichte noch soviel ideologisches Gemüll beiseitezuräumen, das die freie Sicht auf das schriftgemäße Evangelium verstellt.

Tatsächlich ist die Ansicht, daß man mit dieser Arbeit in der Lebensmitte »fertig« wäre, eine Form von Hochmut. Denn je älter man wird, desto schwerer und demütigender ist es, zuzugeben: Hier bin ich doch tatsächlich jahrzehntelang einem theologischen Märchen aufgesessen und habe am Ende sogar die Bibel durch die Brille einer vorher feststehenden theologischen Sichtweise gelesen, aber Gott sei Dank, ich durfte auf meine alten Tage hier noch Korrektur und Zurecht-Weisung finden. Im fortgeschrittenen Alter kann man nämlich Irrtümer nicht mehr so leicht mit jugendlichem Unwissen oder schlechten Lehrern entschuldigen.

Aber geben wir die Hoffnung nicht auf. Das Wort Gottes ist mächtig, seelische und geistliche Gedanken voneinander zu trennen (Hebr. 4, 12), für die Demütigen auch bis ins hohe Alter hinein.

 

 

 

 

 

Photo: Weiterlernender

© gemeinfrei

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