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Orwell light — was darf man in Europa heute überhaupt noch sagen?
17. Februar 2009
Bereits am 3. Februar hatte ich ja Pater Franz Schmidberger citiert. Inzwischen war dieser schon wieder in den Schlagzeilen, und zwar mit Äußerungen zu Mohammed, über den er sagte, daß dieser »mit einem acht- oder neunjährigen Mädchen geschlechtlichen Umgang gepflegt« habe (ein Factum, das von islamischen Gelehrten überhaupt nicht in Frage gestellt wird) und daß man »jemanden, der solches tut, heute als Kinderschänder bezeichnen würde« (ein zweites Factum, das ebenfalls, für sich genommen, völlig unstrittig ist). Ich hatte oben ja schon festgestellt, daß ich für Schmidberger wenig Sympathie hege, aber warum muß man jemandem, der einfach nur zwei jeweils völlig unstrittige Fakten in einen Zusammenhang stellt — der also eins und eins zusammenzählt und tatsächlich auf zwei kommt — gleich »Verunglimpfung Mohammeds und des Islams« vorwerfen?
Es kommt halt auch mal vor, daß ein Katholik etwas richtiges sagt. Dann kann man das auch ruhig mal so stehenlassen.
Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter ist gar vom Grazer Straflandesgericht zu einer Geldstrafe von 24.000 Euro und einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden — wegen »Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren«. Sie hatte sich ähnlich wie Schmidberger geäußert. Auch meine Sympathien für die FPÖ sind sehr eingeschränkt, aber wenn man in Europa nicht will, daß Minderjährige zwangsverheiratet werden oder Dieben die Hände amputiert, dann muß man eben in der politischen Auseinandersetzung religiöse Lehren auch herabwürdigen dürfen, die ebendies fordern oder auch nur erlauben.
Derweilen wurde dem niederländischen Abgeordneten Geert Wilders (man könnte fast annehmen, sein Vorname sein nicht »Geert«, sondern »Rechtspopulist«, da man immer nur von dem »Rechtspopulisten Wilders« liest, genauso wie man inzwischen fast geneigt ist anzunehmen, daß der Vorname von Herrn Mehdorn »Bahnchef« sein müsse) die Einreise nach Großbritannien verweigert, wo er auf Einladung des britischen Oberhauses seinen Film »Fitna« vorführen sollte (siehe auch dieser Kommentar im Deutschlandfunk). Sein Vergehen: Er hat citiert. Und zwar hat er in »Fitna« Quran-Citate mit Filmcitaten entsprechender Taten der »Religion des Friedens« und ein paar Zeitungsüberschriften zusammengeschnitten und mit ein bißchen Edvard-Grieg-Musik unterlegt — im wesentlichen unkommentiert.
Vierter Frevler gegen die »Heilige Political Correctness« [G] ist Beinahe-Bischof Wagner, der (wenn wir heute schon mal von Vornamen reden) tatsächlich »Gerhard Maria« heißt, was mir persönlich ja noch viel, viel unangenehmer wäre als »Rechtspopulist« oder »Bahnchef«. Aber dies nur am Rande. Dieser hat, nachdem ihn der Römische Guru zum Bischof weihen wollte, auf Druck des »gesunden Volksempfindens« innerhalb und außerhalb der RKK auf das Amt verzeichtet — freiwillig gezwungen, sozusagen. Auch ihn hatte ich in der Geiernotiz vom 3. 2. bereits der Erwähnung wert befunden; inzwischen kann man in der F.A.Z. nachlesen, was er denn nun wirklich gesagt hat. Reinhard Olt citiert ihn: »2005 verbindet er die von dem Hurrikan ›Katrina‹ verursachte Katastrophe damit, dass es ›wohl kein Zufall ist, dass in New Orleans alle fünf Abtreibungskliniken sowie Nachtklubs zerstört wurden‹. … Auf die Frage, ob Homosexualität heilbar sei und Homosexuelle behandelt werden sollten, antwortete er: ›Dafür gibt es genügend Beispiele, nur davon spricht man nicht.‹«
Ein richtiger Hardliner ist Wagner also wohl eher nicht, sonst hätte er Homosexualität nicht im Zusammenhang von Krankheit, sondern von Sünde abgehandelt, und auch seine Bemerkungen zu Naturkatastrophen sind ja recht vorsichtig und gemessen — damit dürften doch eigentlich nur ganz hartgesottene Atheisten und Superachtundsechziger ein Problem haben. Daß Naturkatastrophen Gerichtscharakter haben könnten, sollte man seit der Sache mit Noah und der Arche ja durchaus mal in Betracht ziehen dürfen. Es ist ein bißchen wie bei Eva Herrmann: Nichts falsches zu sagen ist keine Garantie dafür, in Ruhe gelassen zu werden. Für das öffentliche Urteil ist völlig unerheblich, was eigentlich gesagt wurde, es entscheidet nur, wie es in den Mainstream-Medien wiedergegeben und wieviel Staub dadurch aufgewirbelt wird. Pech für den, der seine Worte in einem Saustall fallen läßt: Der wirbelt besonders viel Unrat auf.
Oder, um es mit Prof. Dr. Wolfgang Marx zu sagen:
»Wie sind wir in diesen unfruchtbaren Zirkel hineingeraten? – An dieser Stelle muß man auf die Ideologie der ›politischen Korrektheit‹ zu sprechen kommen, die uns mit sanftem, aber, wenn es denn sein muß, auch sehr unsanftem Nachdruck dazu veranlassen will, die Realität, wenn schon nicht anders zu sehen, so doch wenigstens anders zu beschreiben, als wir das bisher getan haben. So müßte man in dem bekannten Märchen von Andersen den Kindern geradezu verbieten zu sagen, der Kaiser sei nackt. Es wäre höchst inkorrekt, ihn derart zu kränken und zu blamieren. Korrekt verhalten sich die Höflinge und die erwachsenen Untertanen, die so tun, als ob sie es nicht sähen. Das nämlich ist der Grundgedanke der politischen Korrektheit: So tun, als ob nichts wäre, auch, oder gerade, wenn etwas ist. Die Richtigkeit einer Aussage schützt sie nicht davor, inkriminiert zu werden; und Wahrheit ist im Diskurs der politischen Korrektheit kein zentraler Wert. Von Bedeutung ist allein das Kränkungspotential einer Feststellung, und damit geht es gar nicht mehr um objektive, es geht allein noch um subjektive Tatbestände…«
Abb.: Seit Gutenberg ist Meinungsfreiheit technisch möglich — aber sie ist immer ein umkämpftes Gut gewesen.