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Rechts? Links? Geradeaus!
20. Mai 2009
»Der Haß als Faktor des Kampfes, der unbeugsame Haß dem Feind gegenüber, der den Menschen über die natürlichen Grenzen hinaus antreibt, und ihn in eine wirksame, gewaltsame, selektive und kalte Tötungsmaschine verwandelt. Unsere Soldaten müssen so sein.«
Ernesto ›Che‹ Guevara in: »Partisanenkrieg – eine Methode«
Nachdem es die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, für falsch hält, die DDR als »Unrechtsstaat« zu bezeichnen, wollen wir mit einem Beispiel noch mal daran erinnern, wie das damals gehen konnte. Die Blauäugigkeit der Kandidatin scheint aber große Teile der Bundesrepublik erfaßt zu haben: Das Böse scheint, wenn man die Zeitung liest, immer nur aus einer Richtung zu kommen: von rechts. Zu dumm, wenn sich dann z. B. auf einmal herausstellt, daß bei dem Überfall auf eine Gedenkveranstaltung in Mauthausen zumindest einer der Beteiligten kein Neonazi war, sondern ein Neosozi, nämlich ein »Roter Falke«. Man darf gespannt sein, ob mit der gleichen Konsequenz nun auch der »Kampf gegen Links« anrollt, so richtig mit Aussteigerprogrammen für Linke und Diskussion über Parteiverbote und gesellschaftlicher Ächtung und staatlich organisierten Ausbrüchen spontanen Volkszorns, wenn die Linken irgendwo eine Demo anmelden — kurz: Mit dem ganzen Instrumentarium des »Kampfes gegen Rechts«.
Der frisch vorgestellte Verfassungsschutzbericht warnt einstweilen doch erst nochmal vor einem »starken Anstieg rechtsradikaler Straftaten«, wobei man für das Verständnis der vorgelegten Zahlen wissen muß, wie diese rechtsradikalen Straftaten in die Statistik gekommen sind. Da zählt jedes Hakenkreuz und jede Reichskriegsflagge mit hinein, die irgendwo sichtbar werden (sog. Propagandadelikte, »Verwenden von Kennzeichen verbotener Organisationen«). Solche Propagandadelikte machen ca. 19.000 der ca. 20.000 Delikte aus und der »Anstieg« beruht auf einer geänderten Zählweise. Würde man nun im Gegenzug jeden Roten Stern, jedes Che-Guevara-T-Shirt oder FDJ-Hemd und jeden Arafat-Feudel, deren die Öffentlichkeit ansichtig wird, als je eine linksextreme Straftat in der Statistik aufführen, dürften die linksextremen Straftaten die rechtsextremen um ein Vielfaches übersteigen. Aber: Das ist nicht zu erwarten. Denn wenn hier am Zeitungskiosk die »Rote Fahne« ausliegt, also cirka die rote Entsprechung des »Stürmers«, ist das völlig legal. Dort kann man dann lesen, groß und fett:
»Die Kommunistische Partei Deutschlands entbietet allen ehemaligen Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit und ihren inoffiziellen Mitarbeitern herzliche Kampfesgrüße zum 59. Jahrestag der Gründung ihres Ministeriums am 8. Februar 1950!« Und dann etwas kleiner: »Wir stehen solidarisch an Eurer Seite im Kampf zur Zurückweisung der Verleumdungen und Diskreditierungen der zum Schutz und der Sicherheit der DDR verfassungsgemäß geleisteten Arbeit und wenden uns gegen die gegen die Grundrechte verstoßenden sozialen Abstrafungen. Wir wissen um Eure unermüdliche und aufopferungsvolle Tätigkeit im Kampf gegen die subversive Tätigkeit einer Vielzahl imperialistischer Geheimdienste, Agentenorganisationen und gegen die Störtätigkeit staatlicher Organe der BRD, denen die DDR von Beginn ihrer Entwicklung ausgesetzt war. Eure Arbeit war wichtiger Bestandteil des Kampfes um Frieden und Sicherheit in Europa. Ihr habt mit Eurer erfolgreichen Tätigkeit gemeinsam mit anderen bewaffneten Organen dazu beigetragen, daß Europa die längste Friedensperiode in der Geschichte erleben durfte. So lange ihr Euren Verfassungsauftrag erfüllen konntet, ging von deutschem Boden kein Krieg aus. Zunehmend kommt bei vielen Menschen die friedenserhaltende, dem Fortschritt und der sozialen Sicherheit dienende Arbeit der DDR und ihrer Sicherheitsorgane ins Bewußtsein, angesichts der nach der Konterrevolution und der Vereinnahmung der DDR durch die BRD erfolgten Kriegseinsätze, der wirtschaftlichen Rezession und sozialen Misere von Millionen Bürgern. Um so mehr trommeln als Ablenkung von den Gebrechen des menschenfeindlichen Systems des Kapitalismus täglich Lügen auf die BRDBürger ein über die DDR und das Ministerium für Staatssicherheit, die immer plumper, durchsichtiger und abstoßender auf viele wirken. Wir werden uns in diesem Jahr — dem 60. Jahr der Gründung der DDR — im engen Zusammenwirken mit anderen linken/antifaschistisch-demokratischen Organisationen verstärkt dazu einbringen, die Errungenschaften der DDR zu erhellen und das Lügennetz über die DDR und das Ministerium für Staatssicherheit wirksam zu entlarven. Wir wünschen allen ehemaligen Angehörigen und Mitkämpfern des Ministeriums für Staatssicherheit Gesundheit und Kraft für den weiteren Kampf um Frieden, Demokratie und Sozialismus.«
Das ist nicht nur legal, darüber freut sich unser Innenminister sogar, und »sieht die politische Integration früherer SED-Mitglieder in die Gesellschaft als gelungen an«. Es gebe für sie »kein Hindernis, in unserem Land nach Ämtern zu streben«. Ja, Herr Schäuble, das war uns auch schon aufgefallen. Herzlichen Glückwunsch.
Übrigens: An welcher Stelle der Statistik eine Straftat landet, dafür sind die Meldungen der Bundesländer zuständig. Und im rot-roten Berlin sollen z. B. Übergriffe arabisch-türkischer Banden auf jüdische Schülerinnen als »rechtsextremistisch motivierte Gewalt« in die Statistik eingehen. Ja, man kann halt keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht hat.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich will damit die rechtsextremen Propaganda- oder Gewaltdelikte nicht rechtfertigen, nur darauf hinweisen, daß ein statistischer Vergleich rechts- und linksextremer Straftaten völlig wertlos ist, solange auf der rechten Seite Propagandadelikte gezählt werden, links aber jede Propaganda, auch wenn sie auf die Vernichtung der Freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet ist, als legal angesehen wird. Sozialismus ist Sozialismus, ob er nun nationalistisch oder internationalistisch ist. Das stellt gerade mal wieder die SPD in Nordrhein-Westfalen unter Beweis, die allen Ernstes Angehörige der Unterschicht, also Empfängerinnen von ALG II und Sozialhilfe, auf Staatskosten sterilisieren lassen will. Einstweilen noch freiwillig.
Überhaupt: Das Rechts-Links-Schema ist denkbar untauglich, um sich auf der politischen Landkarte unserer Tage zurechtzufinden. Viel hilfreicher scheint mir das Denkmodell des folgenden Filmes, das den Begriffen »Rechts« und »Links« einen ganz anderen Inhalt zuweist, das aber auch sehr übersichtlich den Unterschied zwischen Demokratie und Republik erklärt, freilich sehr amerikanisch und mal wieder nur englisch verfügbar.
Abb.: © Geier