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Jezebel, das lehrende Weib
14. Oktober 2012
Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Wirker, sich Nachschematisierende zu Aposteln des Christos. Und nicht Erstaunliches ist’s, denn er, der Satanas, nachschematisiert sich zu einem Engel des Lichts. Nichts Großes ist’s daher, wenn auch seine Diener sich nachschematisieren wie Diener der Gerechtigkeit, deren Vollendigung gemäß ihren Gewirkten sein wird. (2. Kor. 11, 13ff)
Es greift zu kurz, wenn man das wohlbegründete Lehrverbot aus 1. Tim. 2, 12ff ausschließlich auf die Aussage begrenzt, daß Frauen in der Herausgerufenen[G] nicht lehren dürfen. Über die lebenspraktische Komponente hinaus hat das Verbot auch eine prophetische: Da die Herausgerufene dem Christos gegenüber weiblich ist, darf sie keine Lehren erfinden, sondern nur weitergeben, was der Christos selbst lehrt. Sie hat nicht das Recht, aus sich selbst heraus eigene Lehren einzuführen. Watchman Nee hat dazu geschrieben:*
»Wir lesen in Offenbarung 2, 20, daß Isebel behauptet, sie sei eine Prophetin. Sie sagt das, weil sie lehren möchte. Die Stellung der Gemeinde vor Gott ist die einer Frau. Jedes mal, wenn die Gemeinde sich selbst die Autorität aneignet und lehrt, ist Isebel am Werk. Die Gemeinde hat nichts zu sagen, d. h., sie ergreift nicht das Wort. Der Sohn Gottes ist das Wort, daher hat auch nur er das Wort. Christus ist das Haupt der Gemeinde, und nur er darf sprechen. Wenn die Gemeinde dennoch spricht, dann predigt die Frau. Die katholische Kirche ist diese predigende Frau. In der katholischen Kirche gilt, was die Kirche sagt, nicht, was die Bibel oder was der Herr sagt.«
W. Nee führt das Beispiel des Katholizismus an, wo nicht das Wort Gottes, also der Christos, einzige Offenbarungsquelle ist, sondern die eigenen Sonderlehren gleichberechtigt danebenstehen und somit zum Wort Gottes etwas hinzugefügt wird. Das gleiche gilt natürlich auch für andere Sekten[G], die eigene Offenbarungen und Lehren neben das Wort Gottes stellen. Sie stehen einem lehrenden Weib gleich.
Die echte Brautgemeinde spricht: »Da! Wie die Augen der Diener zur Hand ihres Herrn hin, wie die Augen der Magd zur Hand ihrer Ermächtigten hin, also sind unsere Augen zu Jahweh, unserem Elohim, bis er uns begnadet« (Ps. 123, 2). Sie ist demütig und nimmt die Lehren ihres Herrn auf. Die gefälschte Braut hingegen fährt dem Bräutigam über den Mund, nach der Formel »Offenbarung plus Lehramt« erfindet sie selbst Lehren, die nicht aus dem Herzen des Meisters kommen, sondern aus dem eigenen. Watchman Nees Urteil über die Jezebel-Kirche(n) ist also durchaus richtig.
Dabei braucht es schon etwas geistliches Verständnis, um gerade die Römische Kirche als feministische — also den von Gott zugewiesenen Rahmen der Weiblichkeit bewußt überdehnende — Sekte zu identifizieren. Denn diese hat ja in der Öffentlichkeit eher den Ruf eines Männerclubs, da sie Frauen vom Priesteramt ausschließt. Dies freilich ist in geistlicher Hinsicht bedeutungslos, da das ganze katholische Priestertum ohnehin eine rein babylonische Verirrung ist, so daß es auch keinerlei geistliche Relevanz hat, ob es dafür nun Zugangsbeschränkungen für Frauen, Radfahrer oder Nichtschwimmer gibt. Kennzeichnend für den katholischen Feminismus ist vielmehr die Verehrung von Maria als »Himmelskönigin«, die auf den Semiramis- und Astartenkult aufsetzt. Wir finden hier typischerweise Statuen einer überdimensionierten Maria, zum Beispiel mit Szepter und Krone auf einer Mondsichel residierend und mit einem Kleinkind auf dem Arm, das Jesus darstellen soll. Der tatsächliche Regent wird dadurch in einem Zustand permanenter Infantilität dargestellt, was ja im übrigen auch zu einem Gutteil Hintergrund des Weihnachtsfestes mit dem sogenannten »Christkind« ist. Einen Säugling muß niemand fürchten. Maria aber wird gleichzeitig als »mächtige Jungfrau«, »Sitz der Weisheit«, »Ursache unserer Freude«, »Pforte des Himmels«, »Heil der Kranken«, »Königin der Engel«, »Königin der Patriarchen«, »Königin der Propheten«, »Königin der Apostel«, »Friedefürstin« usw. verehrt. Eine Herrin, die über dem Patriarchat steht und es so ad absurdum führt, eine Königinmutter, die sich alle Machtattribute des rechtmäßigen Regenten aneignet: Dies ist eine Wahrnehmungsverschiebung in Bezug auf die reguläre Autorität, an der Alice Schwarzer ihre helle Freude haben dürfte. Und so steckt in jedem rechten Katholiken, und wenn er sich noch so ablehnend gegenüber weiblicher »Priesterschaft« zeigt, doch tatsächlich ein glühender Anhänger des Matriarchats.
Tatsächlich, und auch dies ist ein Punkt, der wenig Beachtung findet, fördert das offizielle Rom auch direkt das Lehren durch Frauen — in offener Rebellion gegen die eingangs angeführte Paulossche Anweisung aus dem ersten Timotheusbrief. Just dieser Tage hat der Papst Hildegard von Bingen in den Stand einer »Lehrerin der Kirche« erhoben. Zunächst hatte der Pontifex, der ein großer Verehrer der »Kirchenlehrerin« ist, ihre Heiligsprechung durchgesetzt, nachdem zuvor alle diesbezüglichen Bestrebungen seit 1226 erfolglos vor sich hingedümpelt hatten. Aber die Heiligsprechung war nicht genug. Heilige gibt es schließlich viele Tausende, »doctores ecclesiae« aber nur ganze 35, mit Hildegard von Bingen nun auch vier Frauen.
Bevor ein Heiliger zum »Kirchenlehrer« erhoben wird, werden seine Schriften einer sorgfältigen Prüfung durch die Inquisition unterzogen. Ganz so viel Zeit wie die Beamten der Inquisition hatte ich nicht, ich habe nur einen kurzen Blick darauf geworfen, was die Katholische Kirche uns durch Hildegard von Bingen lehren möchte:
»Feuer, Luft, Wasser, Erde sind im Menschen, aus ihnen besteht er.«
Aha.
»Gib dem Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund.«
So, so.
Wie kommt man zu solch bahnbrechenden Erkenntnissen?
»Im Jahre 1141 … kam ein feuriges Licht mit Blitzesleuchten vom offenen Himmel hernieder. Es durchströmte mein Gehirn und durchströmte mir Herz und Brust gleich einer Flamme …. Nun erschloß sich mir plötzlich der Sinn der Schriften, des Psalters, des Evangeliums und der übrigen katholischen [sic!] Bücher des Alten und Neuen Testamentes.«
Bei dieser Art der Wissensvermittlung kann es schon mal zu Erkenntnissen kommen, die dem unvoreingenommenen Bibelleser so nicht unbedingt eingefallen wären. Immerhin hat Hildegard auch für diejenigen, die auf solche Sonderoffenbarungen verzichten müssen, einen Tip, wie sie ihr Verständnis auf Vordermann bringen können:
»Der Saphir ist der heiterste aller Edelsteine von der Farbe des Himmels. Er macht den Geist frei und beglückt das betrübte Herz. Wer aber dumm ist, so daß ihm jede Art von Kenntnissen fehlt, er jedoch klug sein will und nicht klug sein kann … der bestreiche seine Zunge oft nüchtern mit dem Saphir, weil dessen Wärme und innewohnende Kraft mit der warmen Feuchtigkeit des Speichels die schädlichen Säfte vertreiben, die den Verstand des Menschen bedrücken, und so erhält der Mensch einen guten Verstand.«
Auch anderen Edelsteinen schreibt die frischgebackene »Kirchenlehrerin« allerlei Kräfte zu: Achat soll Konzentration und Selbstvertrauen stärken und gegen Süchte helfen sowie die Sozialkompetenz verbessern, Amethyst bei Verhandlungen und unangenehmen Gesprächen helfen. Chalzedon soll gegen Jähzorn wirken und Friedfertigkeit schaffen, Chrysopras in Verbindung mit den richtigen Beschwörungsformeln gegen Besessenheit wirken. Diamanten setzt sie gegen bestimmte psychische Erkrankungen ein, Onyx gegen Traurigkeit, Jaspis gegen Albträume.
Es fällt auf, daß der Bingensche Steingarten nicht nur allerlei Krankheiten heilen, sondern auch die Kennzeichen der Frucht des Geistes hervorbringen soll, die Paulos in Gal. 5, 19ff freilich auf den Wandel im Geist und das Anpfahlen des Fleisches zurückführt. Was die »Kirchenlehrerin« hier predigt, ist Erlösung ohne Christos, stattdessen durch tote Materie, (und damit durch Götzen), durch rituelle Handlungen und durch Zaubersprüche. Wenn Jakobos diejenigen, denen Verständnis mangelt, anweist, den lebendigen Gott zu bitten (Jak. 1, 5), so verweist die Kirchenlehrerin mit ihrem »allumfassenden Bibelverständnis« auf den Saphir, einen toten Stein. Die Esoteriker, die heute noch Hildegard-von-Bingen-Steine gegen allerlei Beschwerden verkaufen, wird die päpstliche Legitimation für den bingenschen Zauber jedenfalls außerordentlich freuen; solch offiziöse Aufwertung ist immer gut fürs Geschäft.
Was bringt das von »Blitzesleuchten« erhellte und vom Saphir gestählte Hirn der »Kirchenlehrerin« sonst noch so hervor?
Söhne werden nur dann gezeugt, wenn Mann und Frau sich treu und echt lieben, wenn aber nur der Mann die Frau treu liebt, diese ihn aber nicht, oder wenn umgekehrt sie ihn liebt, er sie aber nicht, dann wird es leider nur eine Tochter — das habe, so betont Hildegard, Gott so eingerichtet. Ach, man mag sich gar nicht die emotionale Sie-liebt-mich-sie-liebt-micht-nicht-Achterbahn in Ehen vorstellen, die abwechselnd Söhne und Töchter hervorbringen. Sollen die Kinder später gesund sein, sind bei der Zeugung übrigens auch noch die richtigen Mondphasen zu beachten, sonst vegetiert der Nachwuchs kränklich dahin.
Gegen Sehschwäche empfiehlt sie, so lange auf einen grünen Rasen zu blicken, bis die Augen tränen, gegen Unfruchtbarkeit ein Gericht aus der Gebärmutter eines jungfräulichen Lammes, ersatzweise auch einer Kuh, gegen Vergeßlichkeit eine Salbe aus Brennesselsaft und Baumöl. Auch der Krebs hat keine Chance gegen Hildegards Hausapotheke: Mit einer Salbe aus filtriertem Veilchensaft, einem Drittel Olivenöl und drei Dritteln Bocksfett macht sie ihm den Garaus. Um eine Geschwulst lege man kreisförmig einen Brei aus zunächst enthaupteten und dann zerquetschten Fliegen, darum einen weiteren Ring aus zerquetschten roten Schnecken (ohne Haus natürlich), dann nur noch etwas Liliensaft außerhalb des zweiten Ringes und alles mit einem Distelblatt garnieren, noch einen Weizenkuchen drauf und einen Verband drüber. Die Zubereitung eines Zauberpulvers gegen Gift, Zauberworte und Wollust, für Gesundheit, Kraft und Glück — einer Art Breitbandantipneumonikum also — ist da schon etwas komplexer, sowohl was Zubereitung als auch Anwendung angeht; ich erspare der geneigten Leserschaft die genaue Receptur. Bis heute lebt ein Heer von Esoterikern und Heilpraktikern von Kräutern, Salben, Heilsteinen und ideologischen Konzepten, die auf Hildegard zurückgehen. Sie selbst soll übrigens häufig und schwer krank gewesen sein — vielleicht haben ihre Eltern ja die rechte Mondphase zu ihrer Zeugung verpaßt.
Ihre Theologie geht davon aus, daß der Mensch von Natur aus gut sei, und steht damit im diametralen Gegensatz zum Evangelium. Wahrheit kennt sie nicht:
»Von jedem Gedanken, der gedacht werden kann, ist auch das Gegenteil wahr.«
Solche relativistische Dickfelligkeit ist offensichtlich auch vonnöten, wenn man die Diskrepanz zwischen dem Selbstanspruch, durch Blitzoffenbarung sämtliches Bibelverständnis mit Löffeln gefressen zu haben und der traurigen Realität eines irren Gewirrs schriftfremder und schriftwidriger Irrlehren aushalten will, die jetzt immerhin das »Kosher-Siegel« der Inquisition tragen.
Wo Jezebel lehrt, kann natürlich auch die Evangelische Kirche ihre Begeisterung nicht verhehlen: Aus der »Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen« in Berlin verlautet anläßlich des katholischen »Ritterschlages« für Hildegard, daß alle Christen von ihr lernen könnten, daß der Glaube nicht nur eine Sache des Intellekts sei: »Wer sich für eine erfahrungsbezogene Spiritualität interessiert, kann sich an der mittelalterlichen Mystik, zum Beispiel an Hildegard, orientieren«, so Theologe Kai Funkschmidt von der Zentralstelle. Es sei besser, sich die geistlichen Übungen »christlicher« Mystiker zum Vorbild zu nehmen, als fernöstliche Meditationsmethoden anzuwenden. Diese Sicht unterstellt, daß alles schon irgendwie christlich sei, was sich selbst als christlich bezeichnet.
Tatsächlich wird zwar jeder Schaden nehmen, der sich einen Zauberstein um den Hals hängt. Wer sich aber einen Zauberstein um den Hals hängt, und dies auch noch als »christlich« bezeichnet, lästert obendrein den Christos. Das diabolische an Irrlehrern wie Hildegard von Bingen ist ja gerade, daß sie den Götzendienst mit christlichem Vokabular übertünchen und tarnen, so daß sie viele verführen können, die für fernöstliche Gurus unerreichbar wären. Aber das zu verstehen, kann man von einem evangelischen Mietling wohl nicht erwarten. Ich habe zunehmend den Eindruck, daß die Mietlinge nicht deswegen vor dem Wolf fliehen, weil sie ihn fürchten (Joh. 10, 12), sondern weil sie insgeheim mit den Wölfen paktieren.
*Watchman Nee, »Die Gemeinden — Fall und Rückgewinnung«, Verlag der Strom, Stuttgart 1995