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Starker Tobak
7. Juli 2009
EU subventioniert Massen(selbst)mord. Noch.
Ehrlich: Ich wollte heute nicht schon wieder was politisches schreiben, aber gerade lese ich, daß die EU-Agrarsubventionen für den Tabakanbau im nächsten Jahr auslaufen sollen. Das könnte das Ende für den Tabakanbau in Brandenburg bedeuten, also in einer Gegend, wo der originär subtropische Tabak nun einmal nicht so heimisch ist, daß es ihm einfallen würde, subventionslos besondere Wachstumsanstrengungen zu unternehmen. Mein Mitleid mit den Tabakbauern hält sich freilich in Grenzen. Wer vom Elend anderer Menschen lebt, sollte sich durchaus nach einem anderen Broterwerb umsehen — da kann auch die Strukturschwäche der Region nicht viel entschuldigen.
650.000 Europäer sterben Jahr für Jahr an den Folgen des Rauchens, 13 Millionen leiden an Krankheiten, die auf das Rauchen zurückgehen. Halt. Nicht weiterlesen. Erst einmal versuchen, sich diese Zahlen vorzustellen: Wenn in einem Jahr eine Atombombe auf eine europäische Stadt wie Essen fiele und im nächsten Jahr eine auf Frankfurt/Main und im nächsten Jahr auf Breslau (Wrocław) und im nächsten Jahr auf Saragossa und im nächsten Jahr auf Bordeaux und im nächsten Jahr auf Skopje und im nächsten Jahr auf Tirana und im Jahr darauf auf Düsseldorf und im Folgejahr die ganze Republik Transnistrien und ein Jahr später die Insel Mallorca auslöschte, und wenn das immer so weiterginge — dann hätten wir annähernd die gleichen Opferzahlen wie beim Rauchen, aber auch nur dann, wenn genannte Städte wirklich vollständig ausgerottet würden. Und diese Tabakopfer sind beileibe nicht alles selbst Raucher. Gerade ist eine Studie vorgestellt worden, die beschreibt, daß Kinder, die Passivrauch ausgesetzt sind, ein signifikant höheres Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Krankheiten zu erkranken und zum Beispiel später einem Herzinfarkt zu erliegen.
Nun sind diese Dinge in der Europäischen Union durchaus nicht unbekannt, so verwendet sich die EU ja auch deutlich für Warnhinweise auf Cigarettenpackungen. Gleichzeitig subventioniert man aber den Tabakanbau. Zu diesem Zweck wurde 1992 der »Gemeinschaftliche Tabakfonds« (Community Tobacco Fund) gegründet, der direkt von Agrarsubventionen — also von unseren Steuern — finanziert wird und folgende Förderschwerpunkte hat:
1. Entwicklung von neuen Tabaksorten und Anbaumethoden, Alternativen zur Verwendung von rohem Tabak und alternative Ernten und Projekte, um den Tabakbauern zu helfen, zu andern Produkten oder Beschäftigungen überzugehen.
2. Information und Ausbildung, um die Öffentlichkeit auf die schädlichen Folgen des Tabakkonsums aufmerksam machen.
2,40 € Zuschuß je Kilo Tabak bzw. eine Milliarde € im Jahr läßt sich die EU den braunen Tod kosten. Wenn jemand, wie in obigem Vergleich, auf die Idee käme, die Europäer nicht durch Tabak, sondern durch Atomwaffen zu dezimieren, würde dann auch Plutonium von der EU mit einer Milliarde im Jahr subventioniert werden — weil’s doch Arbeitsplätze schafft in der Rüstungsindustrie? Kann mir jemand erklären, warum man einerseits die Entwicklung von Tabaksorten und deren Anbaumethoden fördert, andererseits aber vor Tabak warnt — gleichzeitig? Das ist etwa so, als würde man beim Autofahren gleichzeitig Vollgas geben und das Bremspedal bis zum Bodenblech durchtreten.
Übrigens: An illegalen Drogen sind im Jahr 2000 in der gesamten EU »nur« 8.838 Menschen verstorben.
Und auch das ist lesenswert: Tabakanbau dezimiert tansanischen Waldbestand.
Nachtrag:
Geltendes, aber aus unerfindlichen Gründen nicht durchgesetztes Recht (Strafgesetzbuch) über das Passivrauchen:
§ 223 Körperverletzung
(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
§ 224 Gefährliche Körperverletzung
(1) Wer die Körperverletzung
1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
…
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Nachtrag 22. 1. 11: Dreitausend Tote am Tag: Neue Studien in einem F.A.Z.-Artikel vorgestellt
Photo: © Geier