Sie befinden sich hier … und wieder nimmt die EU-Komission den Kabarettisten die Butter vom Brot.
… und wieder nimmt die EU-Komission den Kabarettisten die Butter vom Brot.
16. April 2009
Seit Generationen gehörte die rhetorische Frage, wann denn jemand bei all den Steuern auch noch auf die Idee käme, die Luft zum Atmen zu besteuern, zum kabarettistischen Standardinstrumentarium. Immer war ausgemacht, daß dieser Gedanke die theoretische Spitze der Steuerabsurdität darstellt, eine rabulistische Überhöhung, eine Narretei, gerade noch auszudenken für das menschliche Hirn, aber doch so offensichtlich irrwitzig, daß eine Verwirklichung stets ausgeschlossen schien, weswegen man ja auch darüber lachen konnte.
Die sorgsam inscenierte Klimahysterie in Verbindung mit der (demokratisch nicht legitimierten) Machtfülle der Eurobureaukratie macht es nun endlich möglich, daß dieser Albtraum des Steuerbürgers wahrgemacht wird: Der Kohlendioxidausstoß soll besteuert werden, strenggenommen also das Ausatmen. Nichts verlautete einstweilen darüber, ob man in einer zweiten Ausbaustufe später nicht auch den Sauerstoffverbrauch, also das Einatmen, besteuern könne. Und da heute angesichts diverser Amokläufe die Frage gestellt wird, ob es denn legitim sei, daß die Gestalter von Videospielen und Filmen Gewaltphantasien in die Welt setzen, da doch offensichtlich immer irgendwann ein krankes Hirn sich findet, diese in der Realität umzusetzen, muß man nun auch die Kabarettisten strikt verwarnen: Denkt Euch doch bitte keine gar so kruden Scenarien aus, es besteht die Gefahr, daß die EU-Kommission sie irgendwann wahrmacht.
Während nun deutsche Kinderinnen und Kinder heute schon in der Schule lernen, wovon ihre Großmütterinnen und Großmütter noch keinen blassen Schimmer hatten, nämlich das geschlechtergerechte Formulieren, ist die EU schon wieder einen Schritt weiter und fordert nun die gänzlich geschlechtslose Sprache. Denn, so meint man in Brüssel, »das Geschlecht einer Person sei in den meisten Zusammenhängen nicht relevant oder sollte es nicht sein (sic!)«.
Und so sollen selbst Wörter wie »er« und »sie« in Texten generell vermieden werden, wie auch solch unschickliche Worte wie »Fachmann«, »Staatsmann«, »Zimmermann« usw., auch solle man »neutrale Pluralformen«, wie »die Abgeordneten, die Studierenden, die Mitarbeitenden« bevorzugen. Nun scheint es hier an Kenntnis der deutschen Grammatik zu fehlen, denn wohl sind die Abgeordneten plural, Studierende und Mitarbeitende sind hingegen künstlich substantivierte Partizipien, die nicht einmal das ausdrücken, was sie sollen, denn bedauerlicherweise kann man nicht davon ausgehen, daß alle Studenten auch wirklich Studierende sind; auch arbeiten durchaus nicht alle Mitarbeiter immer mit, einige drücken sich so erfolgreich, daß man sie beim besten Willen nicht als Mitarbeitende bezeichnen kann. Aber was bedeuten solche Einzelheiten, wenn man ein hehres Ziel hat, nämlich die Unkenntlichmachung des menschlichen Geschlechtes. Und so soll statt »Lehrer« oder »Lehrerin« künftig »Lehrkraft« geschrieben werden, »fahrendes Personal« statt »Fahrer«, »Putzkraft« statt »Putzfrau« und Personenbezeichnungen sollen durch Sachbezeichnungen wie »die Geschäftsführung« oder »die Abteilungsleitung« ersetzt werden. Statt »Verfasser« soll stehen »verfaßt von …« und überhaupt sollen Passivkonstruktionen wie »… bei der Antragstellung ist nachzuweisen …« vermeiden, daß womöglich ein solch ungeheuerlich sexistisches Wort wie »Antragsteller« gebraucht würde. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß Formulierungen wie »Antragsteller/in oder Fahrer(in)« nicht benutzt werden sollen. Schließlich geht es schon lange nicht mehr um Geschlechtergerechtigkeit, es geht mittlerweile darum, das bloße Vorhandensein verschiedener Geschlechter aus Sprache und Bewußtsein zu tilgen. So albern die Sache wirkt: Es ist ein weiterer kleiner Baustein in dem großen sozialistischen Projekt, den »Neuen Menschen« zu erschaffen, und der ist nun einmal androgyn.
Seit Jahrhunderten haben sich moderne europäische Sprachen dahingehend entwickelt, daß sie einen möglichst präcisen, differenzierten Ausdruck ermöglichen, daß sie möglichst viele Informationen auf möglichst unmißverständliche Weise transportieren. Jetzt wird diese Entwicklung per politischem Dekret umgekehrt: Differenzierungsmöglichkeiten werden künstlich verknappt oder beseitigt, die Sprache soll ungenauer, mißverständlicher, weniger informativ werden, so wie Orwells »Neusprech«: »Sie … dient dazu, den Wortschatz zu reduzieren und so abgestuftes und schattiertes Denken zu unterbinden.«
Originell ist das alles freilich nicht. Versucht haben das auch schon die russischen Revolutionäre. Michail Schischkin schreibt dazu:
»Etwas vom Ersten, was die neue kommunistische Regierung tat, war, die Sprache selbst zu kastrieren: Die Anreden »Herr« und »Frau« wurden abgeschafft und dafür das neutrale »Towarischtsch« (Genosse) eingeführt. Zum Symbol für die Geschlechtslosigkeit des »neuen Menschen« wurde die lederne Kommissarsjacke. Der Kommissar hatte die Aufgabe, alle Feinde der Revolution zu beseitigen und für die lichte Zukunft zu sorgen, nicht aber, irgendwelche primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale zu haben. Eines der populärsten Revolutionstheaterstücke war die »Optimistische Tragödie« von Wsewolod Wischnewski. Darin hört die den kommunistischen Ideen hingebungsvoll zugetane Kommissarin auf, ein erotisches Wesen zu sein: »Nun, wer noch möchte den Kommissarskörper versuchen?«, fragt die Heldin, mit einer Mauserpistole über der Leiche eines Matrosen spielend, der versucht hatte, sie zu verführen. Klar, daß keiner mehr Wünsche anmeldet.«
Wer sich für das Thema interessiert, sollte auch Klemperers »LTI« (Lingua Tertii Imperii — die Sprache des Dritten Reichs) lesen.
Nachtrag: Mit der Forderung nach geschlechtsloser Sprache greift die EU faktisch eine Forderung der Radikalfeministin Frl. L. F. Pusch auf. Im Aufsatz »Das Deutsche als Männersprache. Diagnose und Therapievorschläge« ist ihre Hauptforderung hinsichtlich einer geschlechtergerechten Sprache die Abschaffung der weiblichen Endungen -in und -innen. Es soll also heißen: die Professor, die Schriftsteller etc..
Für Frl. Pusch gehören Männer, die sich nicht schämen, Männer zu sein, »in dieselbe Sparte wie Neonazis, die die Verbrechen der Nazis leugnen oder schönreden: Verstockt, uneinsichtig, gewaltbereit. Kurz: gefährlich.« Männer sind für sie ein »Sicherheitsrisiko« und eine »Gefahrenquelle für die Frau« und sie legt nahe, daß Männer deswegen prophylaktisch gekeult werden müßten. Zum Thema »Mann als Gefahrenquelle« schreibt sie nämlich:
»Beim Umgang mit Gefahrenquellen ist Verallgemeinerung die Methode der Wahl. Es genügt ein Todesfall durch Vogelgrippe, ein wahnsinniges Rind, eine Pille mit unerwarteter Todesfolge, ein fehlerhafter Autoreifen, um Millionen gänzlich ›unschuldiger‹ Tiere zu töten oder Autoreifen zurückzurufen, Milliarden von Pillen aus dem Verkehr zu ziehen. … Es dient — so die Intention — dem Überleben.«
Das reicht eigentlich für eine Anzeige wg. Volksverhetzung.
Nachtrag 28. 10. 09: F.A.Z.-Glosse von Gina Thomas zum Thema
Nachtrag 3. 7. 10: Eva Herman: Europa im Irrsinn
Abb.: © Geier