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Selbstgebastelt — über die Probleme von Hausmacher-Religionen


By Geier - Posted on 28 Juni 2009

28. Juni 2009

Eine der bewährtesten Strategien des Diabolos ist nach wie vor, Menschen mit Scheinkonflikten beschäftigt zu halten, damit sie nicht auf die Idee kommen, sich um die wirklichen Probleme zu kümmern.
Ein anschauliches Beispiel liefert gerade mal wieder die Katholische Kirche. Die hat nämlich einen hausgemachten Skandal — zum Fronleichnamsfest, das immerhin auch in etlichen deutschen Ländern ein gesetzlicher Feiertag ist.

Nein, es muß jetzt keiner seine Konkordanz bemühen, um herauszufinden, wo die Sache mit dem Fronleichnamsfest in der Bibel steht. Steht nicht drin, natürlich. Wer’s nicht kennt, muß schon die Wikipedia bemühen. Da findet er auch Abbildungen von Monstranzen, das sind diese Geräte, die zu Fronleichnam in Prozessionen durch die Gegend getragen werden und auf das engste mit dem katholischen Reliquienkult verbunden sind. Nun wurde doch tatsächlich in Linzer Pfarren heuer mal eine moderne Monstranz durch die Gegend getragen, also nicht so ein barockes Teil wie oben abgebildet, sondern ein Etwas, das von einem modernen Künstler gestaltet wurde und — so sagen jedenfalls katholische Kritiker — eher aussieht wie eine Grillzange. Und es ist auch nicht irgendwo im Innern eine Hostie eingeschlossen, sondern obenauf ein Fladenbrot übergestülpt. Da laufen die katholischen Kommentatoren nun heiß, es wird von verletzten religiösen Gefühlen geredet, man argwöhnt, daß — oh Überobergraus — für die heilige »Grillzange« vielleicht sogar Kunststoffe verbaut wurden, was aber alles noch nicht einmal das schlimmste ist, denn so ein Fladenbrot könnte schließlich sogar krümeln:
»Daher ist Partikelverlust unter allen Umständen zu vermeiden und auch mit kleinsten Stücken der gewandelten Hostie ehrfurchtsvoll und sorgfältig umzugehen. Wenn man kleine, runde Hostien verwendet, die nicht gebrochen werden müssen, ist die Gefahr des Partikelverlustes bedeutend geringer, als wenn man Fladenbrote nimmt, die auseinandergerupft werden.«
Tatsächlich, und dann dieser Jesus auch noch! Bricht der doch einfach mit seinen Jüngern das Brot! Der Partikelverlust — nicht auszudenken! Man sieht ja in Mk. 8, 8, was die damals so zusammengekrümelt haben: Sieben Körbe voll Krümel! Beim Mahl in Lk. 22, 19 wird das sicher etwas weniger gewesen sein, das waren da ja auch deutlich weniger Leute, aber immerhin: Diese unkatholische Fladenbrotkrümelei auch dort. Ach so, das waren natürlich auch keine Katholiken, dieser Jesus mit seinen Jüngern da. Vielleicht ist es dann etwas weniger schlimm. Hoffentlich.

Man sieht an dem Exempel, wohin man sich verlaufen kann, wenn man sich seine Glaubensgrundsätze selbst bastelt. Es gibt sogar eine offizielle katholische Formel für diese Bastelei. Sie heißt »Offenbarung plus Tradition«, wobei »Offenbarung« im großen und ganzen für das steht, was biblisch begründbar ist, »Tradition« hingegen für das, was man sonst alles gern noch so hätte in seiner hausgemachten Religion und was Gott dummerweise zu erwähnen vergessen haben muß. Da kann man dann alles mögliche und unmögliche unterbringen, zum Beispiel eben auch so ein Fronleichnamsfest, Monstranzen, Reliquien und sonstigen Götzendienst. Aber dann sind eben auf einmal auch »verletzte religiöse Gefühle« ein Thema, was insofern verräterisch ist, als man dadurch zwangsläufig zugibt, daß es bei dieser Patchwork-Religion nicht um belastbare geistliche Fakten geht, sondern daß diese reine Gefühlssache ist.
Natürlich kann man sich über die äußere Gestalt einer Monstranz ereifern, aber in der Schrift findet man eben überhaupt keine Monstranzen oder auch nur etwas vergleichbares, man findet natürlich auch keine geweihten Hostien sondern nur ganz gewöhnliches Brot, das mit Dank gebrochen wird; die Monstranzendiskussion findet also zwangsläufig außerhalb des biblisch abgegrenzten Bereiches und damit auch außerhalb des Christentums statt. Man kann trotzdem ganze Bücher darüber schreiben und sich zum Beispiel über die »Häresie der Formlosigkeit« ereifern. Ästhetische Überlegungen werden so zu geistlichen Kriterien überhöht. Eine Grillzange ist aber, geistlich beurteilt, nicht mehr oder weniger obszön als so ein goldenes Barock-Gerät, das den meisten Katholiken wohl als die »legitime« Alternative vorschwebt. Die Obszönität besteht ja nicht in der äußeren Erscheinung, sondern in der Chuzpe, zu beschließen: »Wir tun Dinge, die Christus nicht tut und nennen das ganze trotzdem Christentum«.

 

 


Abb.: Monstranz aus der Eremitenkirche zu Warfhuizen in den Niederlanden
Creative Commons, Urheber Broederhugo

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