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Einer für Tausend
18. Oktober 2011
Gilad Shalit ist frei. Heute wurde er gegen über tausend arabische Gefangene Israels ausgetauscht. Die Israelis sind sich uneins, ob sie dies gut finden sollen oder nicht: Einerseits begrüßen sie, daß der Staat alle denkbaren Hebel in Bewegung setzt, um gefangene israelische Soldaten freizubekommen. Andererseits wissen sie, daß unter den jetzt freigelassenen Arabern etliche tickende Zeitbomben sind: Terroristen, die schon während ihrer Haft offen zugegeben haben, daß sie im Falle einer Freilassung wieder Israelis ermorden wollen. Eine Kriminologin, die sich intensiv mit den Häftlingen befaßt hat, rechnet mit einer Rückfallquote von 60 Prozent. Außerdem könnte der Erfolg der Erpressung die Hamas dazu bewegen, wieder Israelis zu entführen, um weitere Gefangene freizupressen. Shalit ist also wieder in Israel, aber durchaus nicht zu beneiden: Wenn die Freigelassenen wieder morden oder wenn die Hamas wieder Israelis entführt, weil sie davon ausgeht, daß Israel erpreßbar ist, dann wird der Vorwurf im Raum stehen, daß diese neuen Opfer den Preis für seine Freilassung zahlen. Damit ist schwer umzugehen. Die unterschiedlichen israelischen Standpunkte zur Sache hat die Botschaft Israels in zwei Artikeln — von Hirsh Goodman (pro) und Kobi Kimchi (kontra) — veröffentlicht, die hier zu finden sind.
Wollte Israel künftigen Erpressungen der gleichen Art vorbeugen, müßte es die Todesstrafe, die es formal zwar für Terroristen gibt, die aber nicht verhängt wird, regelmäßig anwenden: Tote Terroristen kann man nicht mehr freipressen. Da Israel mehrheitlich stolz darauf ist, eine Demokratie westeuropäischen Zuschnitts zu sein, wird man aber kaum zu diesem Mittel greifen. Bisher hat Israel die Todesstrafe nur ein einziges Mal verhängt und vollstreckt, dies war 1962 gegen Adolf Eichmann.
Es ist übrigens wirklich bedenkenswert, was für Gefangene da freikommen: Da ist zum Beispiel Amana Jawad (Mona Jaud), die als 25jährige in Chat-Rooms zielgerichtet zu israelischen jungen Männern Kontakt aufgenommen hatte, um einen in eine Falle zu locken und umzubringen. Ihr Opfer fand sie in dem 17jährigen Ofir Rahum, der töricht genug war, in ein Treffen einzuwilligen und von Komplizen Amanas erschossen wurde. Inspiriert war sie durch die viehischen Lynchmorde von Ramallah, die sie gesehen und von denen sie nach eigenen Aussagen »begeistert« war — Morde, bei denen zwei jüdischen Reservisten, die sich verfahren hatten, die Augen und die Gedärme herausgerissen wurden, was zu spontanen begeisterten Jubelfeiern der versammelten arabischen Meute führte, die eine der Leichen in Brand setzte und durch die Straßen zerrte. Im Gefängnis war Amana (neben ihrer Brutalität Mitgefangenen gegenüber) dafür bekannt, ihr Opfer, das sterbend nach seiner Mutter gerufen hatte, zu verhöhnen, indem sie seine Schreie imitierte. Nur achteinhalb Jahre nach ihrer Verurteilung kommt sie nun frei, entschlossen, weiterzumorden. Weitere Fallbeispiele sind hier zu finden.
Es gibt hier aber noch ein anderes interessantes Detail. Nach fünf Jahren verschiedenster diplomatischer Bemühungen und diverser gescheiterter Zwischenergebnisse haben die Verhandlungen ausgerechnet ein Ergebnis erbracht, bei dem reichlich tausend Araber gegen einen Israeli ausgetauscht werden. Es ist nicht davon auszugehen, daß die Hamas, die auf diesem aberwitzigen Zahlenverhältnis bestanden hat, damit die Botschaft verbreiten will, daß ein Jude soviel wert ist wie tausend Araber. Und doch erinnert es zwangsläufig an die Prophetie Jehoshuas, der die Kampfkraft eines israelischen Soldaten über die von tausend Feinden stellt (Jos. 23, 10). Als unfreiwilligen Tribut der Hamas an die biblische Prophetie mag man dies, so vertrackt die Geschichte insgesamt auch ist, allemal sehen.
Nachtrag 26. 10. 11: Ein ausführlicher Kommentar zum Thema von Ulrich J. Becker findet sich bei ARO1.
Nachtrag 10. 2. 12: Die Israelische Botschaft meldet:
Seit der Rückkehr von Gilad Shalit im Oktober vergangenen Jahres hat es im Norden Israels mindestens fünf weitere Versuche gegeben, israelische Soldaten zu entführen. Shalit war im Juni 2006 von palästinensischen Terroristen in Israel entführt und in den Gazastreifen verschleppt worden. Er konnte erst über fünf Jahre später im Austausch gegen 1.027 palästinensische Gefangene, die für den Tod von etwa 600 Menschen verantwortlich sind, befreit werden.
Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) sehen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Shalit-Deal und den vermehrten Entführungsversuchen. „Die Terrororganisationen wissen jetzt, dass Israel bereit ist, einen hohen Preis für entführte Soldaten zu zahlen, deswegen steigt die Motivation für weitere Entführungen“, erklärt Oberstleutnant Nir Golan, Militärpolizeikommandeur im ZAHAL-Nordkommando.
Seit der Rückkehr von Gilad Shalit hat die Militärpolizei mit den Soldaten verstärkt das Verhalten bei Entführungsversuchen trainiert und das Bewusstsein für diese wachsende Gefahr geschärft. „Jeden Tag fahren verdeckte Terrorzellen durch Israel, um trampende Soldaten zu entführen“, so Nir Golan.