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»Alles nur Theater«: Bischöfinnendarstellerinnen
21. März 2010
Jetzt, wo Frau Käßmann etwas in den Hintergrund getreten ist, scheint Frau Junkermann, Landes»bischöfin« der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, sie würdig zu vertreten. So sprach sie am Donnerstag vor der Synode in Bad Sulza zum Thema »Ein geselliger Gott freut sich an einer geselligen Kirche«. Oha. Laut Pressetext »wirbt Junkermann für eine offene Kirche, ›die bereit ist, aus (einer) geschlossenen oder geschlossen wirkenden Gemeinschaft herauszugehen‹. Die ›Kirche für andere‹ müsse weiterentwickelt werden zu einer ›Kirche mit anderen‹. Dabei gelte es, von den Menschen her zu denken und dem nachzugehen, was sie brauchen, nicht von dem her, was ›meine Botschaft‹ ist. Kirche dürfe und solle aus sich herausgehen und ›kein Verein von untereinander Gleichgesinnten sein‹: ›Geselligkeit braucht Vielfalt …‹«
Erbarmen!, Frau Junkermann, wie bitte soll ein christlicher Blogger denn solch ein Feuerwerk ungeistlicher Gedanken nun wieder kommentieren, ohne gleich cynisch zu wirken? Denn genauso kennen wir ja diese Kirche: Denken »vom Menschen her«, nicht etwa von Gott her. Botschaft? Auftrag? Sendung? Nein, damit könnte man ja die Konsensfähigkeit beeinträchtigen, die nötig ist, um für alle und jeden da zu sein, nur nicht für Christus. Der Gedanke, daß es eine Botschaft gibt, die genau das ist, was die Menschen wirklich brauchen, kommt Frau Junkermann erst gar nicht, da sie diese Botschaft (die zum Beispiel in Markus 1, 15 zusammengefaßt ist) offensichtlich selbst nicht kennt. Mit dieser Botschaft könnte sie freilich ihr humanistisches Konzept einer Kirche als Kulturdienstleister vergessen, da sie kantig ist und Widerspruch herausfordert, vielleicht gar Verfolgung. Außerdem: Die Botschaft von einem Jesus, der beansprucht, der (einzige!) Weg, die (einzige!) Wahrheit und auch noch das Leben zu sein, muß aus Junkermannscher Geselligkeits- und Vielfalts-Perspektive unglaublich arrogant wirken. Das riecht geradezu nach geschlossener oder zumindest geschlossen wirkender Gesellschaft. Nein, was die Menschen brauchen, wollen sie schon selbst festlegen, unbeeinflußt von Botschaften von … äh, von wem gleich noch? … ach ja, von diesem Universumserschaffer. Ganz besonders eine solch bedeutende Institution wie die Mitteldeutsche Evangelische Kirche kann sich da nicht von jedem mit irgendwelchen Botschaften dreinreden lassen. Da sind nun über fünftausend Jahre vergangen seit der Geschichte mit dem Weib Adams und dieser Frucht, Frau Junkermann aber hält das Denkschema, das diesem Fiasko zugrunde gelegen hat, noch immer für eine fortschrittliche, eine gute Idee. Was natürlich auch nicht fehlen darf: »Junkermann kündigte für 2011 eine Kampagne der EKM zum Thema ›Lebenswandel — Klimawandel‹ an.«
Ja, das Klima also, so ist’s recht, sie hat eben einen Blick für die wesentlichen geistlichen Dinge und kann es weit bringen, wie schon Collegin Käßmann. Diese hat die knappe Zeit von ihrer samstäglichen legendären Autofahrt bis zu ihrem Rücktritt am darauffolgenden Mittwoch noch dazu genutzt, um uns am dazwischenliegenden Montag — von der abgelenkten breiten Öffentlichkeit allerdings weitgehend unbemerkt — ihr geistliches Vermächtnis mitzuteilen. Und dieses heißt: »Kirche und Theater haben viel gemeinsam«. Eigentlich habe ich das ja schon gewußt, aber es ist auch mal interessant, dies von innerhalb dieser Kirche bestätigt zu bekommen. Jedenfalls kann ich mich nächstens auf Frau Käßmann berufen, wenn mich jemand der Polemik verdächtigte, falls ich Parallelen zwischen Kirche und Theater ziehen sollte.
Bei ihrer eigenen Talkshow »12 Orte — 12 Gespräche«, die die hannoversche Landeskirche extra für ihre damalige Bischöfindarstellerin produziert hat, und die nun über die Folge acht — die den bezeichnenden und gar nicht ironisch gemeinten Titel »Alles nur Theater« trägt — wohl nicht mehr hinauskommen wird, betonte sie gegenüber ihrem Studiogast, einem hannoverschen Theaterintendanten: »Auch die kirchliche Liturgie könne man eine Inszenierung nennen. … Hier könnten die Pastoren von den Schauspielern manches lernen. … Ich kann nicht vom Glauben reden, wenn ich nichts ausstrahle. … Nötig sei ›liturgische Präsenz‹«. Diese Charakterisierung von Kirche als theatralische Inszenierung paßt nicht nur nahtlos zu Frau Junkermanns Konzept der »geselligen Kirche eines geselligen Gottes«, sie bestätigt auch alle, die das volkskirchliche Konzept von jeher als Schmierentheater und deren Protagonisten als Laienspieltruppe gesehen haben. Und siehe da: Tatsächlich bekommen in der hannoverschen Kirche angehende Pfarrer schon Unterricht von professionellen Schauspielern, wie Frau Käßmann stolz erklärte: Der »liturgischen Präsenz« wegen. Ja, diese Frau hat die richtigen Lehren aus dem Studium der Theologie gezogen: Hätte Paulos mehr liturgische Präsenz gezeigt, wäre Eutychos nicht eingeschlafen und aus dem Fenster gefallen. Da hat es eindeutig am Schauspielunterricht gefehlt. Tote auferwecken kann schließlich jeder*.
Nebenbeibemerkt: Frau Käßmanns Abgang hatte ja tatsächlich die Qualität eines shakespeareschen Dramas, wenn man sich z. B. vergegenwärtigt, daß sie noch 2007 in einem Interviev mit dem TÜV Nord gesagt hatte:
Manche Leute fahren wirklich, als hätten sie überhaupt nicht im Blick, welche Kraft in einem Auto steckt. Schon bei Tempo 50. Also wie lebenszerstörend ein Auto wirken kann. Viele sind sich nicht bewußt, daß sie mit einer Kraft umgehen, die sie gar nicht so beherrschen können. Ich bin als Pastorin oft mit Tod, Krankheit und Behinderung konfrontiert. Da kann ich über das riskante Gedrängel auf der Autobahn immer nur noch mehr den Kopf schütteln. … Es gibt zum Teil schon ein mangelndes Verantwortungsbewußtsein, insbesondere wenn Alkohol oder Drogen mit im Spiel sind. … Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich sehe ja, was das bedeutet. Bei den zig tausend Kilometern, die ich jedes Jahr dienstlich fahre, stehe ich nicht nur viel im Stau, sondern sehe auch viele Unfälle und bekomme dementsprechend mit, wie zerfetzte Autos aussehen.
Das Bayerische Innenministerium hat sich den lehrreichen Versuch gegönnt, einmal mit Journalisten zu testen, was bei 1,54 Promille noch geht und hat dabei nachgewiesen, wie recht Frau Käßmann doch mit obigen Worten hatte. Nach sechs Bieren und mühsam erreichten 1,17 Promille war dem berichtenden Journalisten schon der Gedanke an ein Weitertrinken unerträglich.
Überhaupt sind die beiden geschiedenen Mütter Käßmann und Junkermann offensichtlich echte Schwestern im Geiste. Käßmanns Anregung, doch auch in Kirchen Theaterstücke aufzuführen, schränkt sie ein: »Es muß einen Respekt vor diesem Raum geben, in dem Menschen ihre Kinder taufen lassen und um ihre Toten trauern.« Nicht etwa Respekt vor Gott also, nein, sondern vor dem sakralen Raum. Auch dies paßt hervorragend zu Junkermanns »Denken vom Menschen her«.
* Apg. 20, 7ff
Collage: © Geier