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Leis von der Partei gestreichelt
2. Mai 2009
Staat und Religion
Nun ist der Volksentscheid »Pro Reli« in Berlin gescheitert und die Kirchen sind sauer. Dabei ist es aus christlicher Sicht ein absurder, um nicht zu sagen ein obszöner Gedanke, die Vermittlung geistlicher Inhalte dem Staat zu überlassen, genauso obszön wie die Beitreibung von Kirchensteuern durch den Staat und andere vergleichbare Erscheinungen, etwa die universitäre Ausbildung der Theologen und deren Finanzierung. Eine Trennung von Staat und Kirche kennt Deutschland nicht. Daß der Staat sich dies gefallen läßt, ist erstaunlich; viel schlimmer ist, daß es keinen wahrnehmbaren christlichen Widerstand hiergegen gibt. Denn biblisch beurteilt kann man diese Verbindungen von Staat und Kirche nur als »geistliche Hurerei« bezeichnen.
Letztlich sagt das weniger über den Staat aus als über die großen Kirchen, die sich dadurch nicht mehr als geistliche Strukturen, sondern als weltliche in der Art von Interessenvereinen darstellen, jedenfalls als völlig unabhängige von dem, der da gesagt hat, daß »seine Regentschaft nicht von dieser Welt ist« (Joh. 18, 36). Wären die Kirchen nicht weltlich korrumpiert, müßten sie aus allen Rohren gegen den staatlichen Religionsunterricht schießen statt ihn zu verteidigen.
Wie gefährlich das Spiel ist, das die Kirchen spielen, wird langsam dort deutlich, wo Muslime mit Verweis auf Gleichbehandlung die selben Privilegien einfordern, wie sie die Kirchen genießen. Auf Dauer wird man ihnen diese nicht verwehren können, es sei denn, die Kirchen verzichten selbst, und die Privilegien entfallen für alle: Konsequente Trennung von Staat und Religion, am besten mit Verfassungsgarantie. Wird der Islam aber künftig ähnlich staatlich unterstützt und privilegiert wie die Großkirchen, subventiniert die freiheitlich-demokratische Grundordnung mittelfristig ihre eigene Abschaffung.
Glaubensgemeinschaften sollten nur insofern das Recht haben, staatlichen Schutz zu verlangen, wie sie ihrerseits ausschließlich geistliche Strukturen sind, die eine ausreichende Staatsferne aufweisen. Dies trifft in Deutschland gerade auf die Großkirchen nicht zu, aber ausgerechnet an diese wird staatlicherseits zuerst gedacht, wenn es um den grundgesetzlich verbrieften Schutz der Glaubensgemeinschaften geht. Die katholische Kirche bezeichnet sich selbst als »Weltkirche« und auch die evangelischen Landeskirchen sind weltliche Kirchen, wie sich eben beispielhaft in Konkordaten, Religionsunterricht, Kirchensteuer und Theologenausbildung zeigt. Noch sind Großkirchen und Staat auf das engste miteinander verbunden. Und der Islam macht gar keinen Hehl daraus, daß er auf demographischem Wege nach einer politischen Machtübernahme in Europa strebt.
Die Trennung von Staat und Religion wird dabei immer von zwei Seiten bedroht: Einerseits gibt es Religionsgemeinschaften, die nach weltlicher Macht streben wie Islam und Katholizismus oder die einfach nur nach den »Fleischtöpfen Ägyptens«, also nach Steuergeld gieren.
Umgekehrt gibt es aber auch immer wieder weltliche Ideologien, die sich durch einen religiösen Überbau (zusätzliche) Legitimität verschaffen wollen. Bereits am 19. März hatte ich die religiöse Überhöhung des Nationalsozialismus dargestellt. Ergänzend sei dazu noch bemerkt, daß ja schon die Svastika, das Hakenkreuz, ein genuin religiöses Symbol ist. Sozialismen sind ohnehin tief religiöse Ideologien, auch wenn sie dies nicht gern hören und durch demonstrativen Atheismus zu verleugnen suchen. Am Beispiel von Louis Fürnbergs »Lied der Partei« ist exemplarisch zu sehen, daß der Sozialismus der DDR genauso religiös war wie der Nationalsozialismus:
Lied der Partei
Louis Fürnberg
Sie hat uns alles gegeben,
Sonne und Wind. Und sie geizte nie.
Wo sie war, war das Leben,
was wir sind, sind wir durch sie.
Sie hat uns niemals verlassen.
Fror auch die Welt, uns war warm.
Uns schützt die Mutter der Massen!
Uns trägt ihr mächtiger Arm.
Die Partei, die Partei, die hat immer Recht,
und, Genossen, es bleibet dabei:
Denn wer kämpft für das Recht,
der hat immer recht, gegen Lüge und Ausbeuterei.
Wer das Leben beleidigt, ist dumm oder schlecht.
Wer die Menschheit verteidigt, hat immer recht.
So aus Leninschem Geist wächst, von Stalin geschweißt,
Die Partei, die Partei, die Partei.
Sie hat uns niemals geschmeichelt.
Sank uns im Kampfe auch mal der Mut,
hat sie uns leis nur gestreichelt:
»zagt nicht« — und gleich war uns gut.
Zählt denn auch Schmerz und Beschwerde,
wenn uns das Gute gelingt?
Wenn man den Ärmsten der Erde
Freiheit und Frieden erzwingt.
Die Partei, die Partei, die hat immer Recht,
und, Genossen, es bleibet dabei:
denn wer kämpft für das Recht,
der hat immer recht, gegen Lüge und Ausbeuterei.
Wer das Leben beleidigt, ist dumm oder schlecht.
Wer die Menschheit verteidigt, hat immer recht.
So aus Leninschem Geist wächst, von Stalin geschweißt,
die Partei, die Partei, die Partei.
Sie hat uns alles gegeben.
Ziegel zum Bau und den großen Plan.
Sie sprach: »Meistert das Leben! Vorwärts, Genossen, packt an«
Hetzen Hyänen zum Kriege, bricht euer Bau ihre Macht!
Zimmert das Haus und die Wiege! Bauleute, seid auf der Wacht!
Gezielt werden der »Partei« göttliche Attribute zugeschrieben. Sonne und Wind habe sie gegeben, eine Fähigkeit, die ihr einige Jahre später abhandengekommen sein muß, da nun plötzlich die Parole lautete, daß man »ohne Gott und Sonnenschein« die Ernte einbringen wolle, was ja nicht nötig wäre, wenn man den Sonnenschein in ausreichender Menge selbst produzieren könnte. Vielleicht hat es ja auch nur an den »Transportkapazitäten« gemangelt, wie so oft in der DDR: Es gab zwar Sonnenschein, Pflaumenmus und Ersatzteile, aber eben nicht gerade dort, wo sie gebraucht wurden.
Die Allmachtsphantasien der Partei, die Sonne und Wind selbst hervorbringt, hat die »Größte FDJ-Funktionärin aller Zeiten« offensichtlich damals (vielleicht bei ihrem Studium in der Sowjetunion, der »Heimat aller Werktätigen«) eingesogen wie ein Schwamm das Wasser, anders ist nicht zu erklären, daß sie, wiewohl Physikerin, noch heute in dem Wahn lebt, sie könne das Klima durch Kohlendioxidmanipulationen beeinflussen, ja beherrschen. Da dies auf naturwissenschaftlichem Wege nicht möglich ist, scheint hier wohl auch der von Fürnberg angeführte metaphysische »Große Plan« dahinterzustehen.
Hier noch einige Gegenüberstellungen zwischen Fürnbergs Lied und dem Wort der Wahrheit:
Wo sie war, war das Leben, was wir sind, sind wir durch sie.
Joh. 14, 6 Jesus sagt (zu) ihm: Ich, ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben …
Apg. 17, 28: Denn in ihm leben wir und sind wir bewegt und sind wir …
Sie hat uns niemals verlassen.
5. M. 31, 6: … Jahwe, dein Gott, er ist es, der mit dir geht; er wird dich nicht versäumen und dich nicht verlassen.
Uns trägt ihr mächtiger Arm.
1. Tim. 6, 13: … Gott, der alles am Leben erhält …
Dies möge in diesem Rahmen ausreichen, der bibelkundige Leser wird mit wenig Mühe weitere Parallelen finden und damit Beweis von der Anmaßung, die in der Welt ist, seit der Satz der Schlange »Ihr werdet sein wie Gott« dem Weib Adams ganz vernünftig vorkam.
Auch obenstehende Abbildung ist ein weiterer empirischer Beweis für den religiösen Wahn des Kommunismus. Hier sagt Majakowski über den sowjetischen Führer: »Lenin lebte, Lenin lebt und Lenin wird leben«, was eine ungenierte Kopie der biblischen Aussage aus Hebr. 13, 8 ist: »Jesus Christos (ist) gestern und heute derselbe, auch hinein in die Äonen.« bzw. der aus Offb. 1, 8: »Ich, ich bin das Alpha, und ich (bin) auch das Omega, (der) Anfang und (die) Vollendigung, sagt (der) Herr, der Gott, der Seiende und der, (der) war, und der Kommende, der Allhaltende.« Was von Lenin — und damit vom Majakowskis Vers — übrig ist, kann man ja besichtigen, und es sieht nicht mehr ganz so heroisch aus wie obige Graphik.
Besonders auffällig ist der religiöse Anspruch des Sozialismus nordkoreanischer Prägung. Das Missionswerk Open Doors schreibt dazu: »Das Land ist tief geprägt von einem stalinistischen Personenkult. Die Regierung setzt die ›Juche‹-Philosophie (sprich ›Dschutsche‹) rücksichtslos durch. Der verstorbene Kim Il Sung (›der ewige Präsident‹) muß als ewig gegenwärtiger Gott-Vater verehrt werden. Sein Sohn, Kim Jong Il (›der geliebte Führer‹ oder ›ewige Sohn der ewigen Sonne‹), ist der von ihm erwählte Retter.«
In einer linken Wochenzeitung ist mit Verweis auf originale nordkoreanische Verlautbarungen zu lesen: »Die Berufung Kim Jong-ils erwies sich bereits bei seiner Geburt. Es gab Blitze und Donner, der Eisberg inmitten des Weihers am Berg Paektu zerbrach mit einem geheimnisvollen Laut, und am Himmel erstrahlte ein doppelter Regenbogen. … am 16. Februar des Jahres 2001 war der Himmel über dem Paektu erneut von einem Regenbogen geschmückt, und so gewaltig war das Geräusch des zerbrechenden Eisbergs, daß es den ganzen Berg erschütterte. Das bezeugen die Mitglieder einer Exkursionsgruppe zu den Schauplätzen der revolutionären Schlachten ebenso wie zahlreiche in der Region ansässige Volksmassen. Jene, die diese Wunder sahen, sagten, es scheine so, als ob selbst die Natur Kim Jong-il, dem erhabenen, im Himmel geborenen Kommandanten, zum Geburtstag gratulieren wolle.«
Wenn aber politische Bewegungen wie der nationale Sozialismus und andere Sozialismen offensichtlich religiösen Charakter und Selbstanspruch haben und wenn andererseits einige Religionsgemeinschaften unleugbar politische Ambitionen haben, so kann man mit Fug und Recht sagen, daß eine scharfe Abgrenzung zwischen den Begriffen »politische Bewegung« und »Religionsgemeinschaft« überhaupt nicht möglich ist, weil die Grenzen fließen. Dann ist es aber grob fahrlässig, die Deutungshoheit darüber, ob wir es jeweils mit einem politischen oder mit einem geistlichen Construct zu tun haben, der jeweiligen Gemeinschaft selbst zu überlassen. Daraus folgt, daß Religionsgemeinschaften, die an der Beseitigung der grundgesetzgemäßen Ordnung arbeiten, dafür nicht auch noch den Schutz beanspruchen dürfen, den das Grundgesetz wirklichen geistlichen Gemeinschaften zuspricht. Es muß dann möglich sein, solche Politreligionen genauso zu verbieten wie politische Parteien, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Nachtrag: Johannes R. Becher: »Dem Ewiglebenden«
Nachtrag 2:
Da hätte ich doch beinahe den rumänischen Diktator Nicolae Ceauşescu vergessen. Der ließ sich »Großer Kommandant«, »Titan der Titanen«, »glorreiche Eiche aus Scorniceşti«, »Sohn der Sonne«, »der Auserwählte«, »unser irdischer Gott« oder »Genie der Karpaten« nennen. Seine Frau Elena nannte sich »liebende Mutter der Nation« und soll noch die Soldaten ihres Erschießungskommandos gefragt haben, ob diese denn nicht wüßten, daß sie auch ihre Mutter sei.
Nachtrag 3:
Der Historiker Orlando Figes berichtet in seinem Buch »Die Flüsterer« von Ljudmila Eliaschowa in der Nachkriegssowjetunion:
»Statt eines Bildes von Stalin bewahrte Ljudmila ein Portrait von Marx unter ihren persönlichen Habseligkeiten. Jeden Tag bekreuzigte sie sich vor dem Portrait und sagte wie im Gebet: ›Karl Marx, lehre mich zu leben!‹«
Siehe auch die thematisch ähnliche Geiernotiz vom 19. März: »Anstatt des Christos«
Eine zusammenfassende Bearbeitung der Artikel »Anstatt des Christos« und »Leis von der Partei gestreichelt« ist unter dem Titel »Anstatt des Christus« in der »factum« 3/2011 erschienen.