Sie befinden sich hierGewaltlosigkeit oder Gewaltmonopol?

Gewaltlosigkeit oder Gewaltmonopol?


By Geier - Posted on 24 Dezember 2011

24. Dezember 2011

 

Zeitgleich mit der Strafanzeige von Miriam Staudte, der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im niedersächsischen Landtag, gegen Wilfried Plock, den Vorsitzenden der »Konferenz für Gemeindegründung«, und mehrere Verlage, weil diese in Vorträgen bzw. durch Veröffentlichung von Erziehungsratgebern körperliche Züchtigung als Erziehungsmittel propagiert und damit zu Straftaten aufgerufen haben sollen, ist auch eine begleitende Mediencampagne im NDR angelaufen.

In der NDR-Reportage wird wiederholt eine schemenhafte Sequenz eingeblendet, in der ein Mann mit einem gigantischen Prügelwerkzeug, doppelt so groß wie ein Baseballschläger, auf einen verschüchterten Knaben losgeht; ein rationaler Bezug zum redaktionellen Inhalt besteht nicht, es geht allein um Stimmungsmache. Je nach Mentalität kann man den Film in dieser Form mit sehr viel Nachsicht als propagandistische Entgleisung, mit leichter Milde als demagogisches Machwerk oder mit strenger Sachlichkeit als üble Hetze ansehen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage, die Andrea Buskotte von der »Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen« in dem Film macht:

Das Gesetz spricht von entwürdigenden Erziehungsmaßnahmen, und ich glaube, das ist springende Punkt. Jede Form von Gewaltanwendung ist eine demütigende, entwürdigende Form von Überwältigung; das ist schlimm für Kinder in jedem Alter, sowie es schlimm für Erwachsene ist.

Daß Gewaltanwendung Überwältigung zum Ziel hat, ergibt sich ja zunächst einmal aus der Natur der Sache, daß eine Überwältigung mit Demütigung einhergeht, ist ebenso selbstverständlich. Denn genau darum geht es ja: Der Übertreter, der aus Hochmut heraus meint, daß Regeln nicht für ihn gelten, soll zur demütigen Anerkenntnis dieser Regeln gebracht werden. Jeglicher Züchtigung liegt dieses Grundprinzip zugrunde, ob dies nun Gottes Gericht gegenüber dem Menschen, elterliche Züchtigung oder staatliche Gewalt betrifft. Soweit scheint das ja Frau Buskotte auch verstanden zu haben: Das Prinzip ist nicht altersabhängig, es ist genauso »schlimm für Erwachsene«.

Was folgert sie aber daraus: Eltern dürfen das nicht, der Staat darf das aber doch? Wenn Eltern Kinder züchtigen, dann ist das illegitim, wenn aber daraufhin der Staat ebenjene Eltern züchtigt, dann soll das legitim sein?

Es gibt zwei Arten solcher Prediger der Gewaltlosigkeit: Die meisten reden zwar von Gewaltlosigkeit, wollen aber in Wahrheit ein Gewaltmonopol. Sie wollen selbstverständlich, daß der Staat auch weiterhin Straftäter verfolgt. Gewalttäter, Steuerhinterzieher, Falschparker: Sie alle sollen vom Staat überwältigt werden und es stört diese »Gewaltlosen« überhaupt nicht, daß der Staat hier immer entwürdigende, demütigende Erziehungsmaßnahmen anwenden muß, indem er der Ohnmacht des Individuums die geballte staatliche Macht gegenüberstellt. Ist es etwa nicht demütigend, wenn der Staat mit Waffengewalt in Wohnungen eindringt, Datenträger und privateste Schriftstücke beschlagnahmt, was ja mitunter nicht nur mutmaßlichen Straftätern, sondern sogar mutmaßlichen Zeugen von Straftaten wiederfährt, ist es nicht erniedrigend, wenn zum Beispiel beschlagnahmte Rechner, die für die Polizei Beweismittel, für den Betroffenen aber unter Umständen wichtige Arbeitsmittel sind, zurückgehalten werden, ohne daß Auskunft über den Zeitpunkt ihrer Rückgabe zu erlangen ist? Ist es keine demütigende Überwältigung, wenn zum Beispiel Axel Hüls (der Vater, der sich um seine Kinder gekümmert hatte, ohne sein ungetreues Weib um Erlaubnis zu fragen) gewaltsam nach Deutschland gebracht und seit nun schon fast vier Monaten in Untersuchungshaft gehalten wird, obwohl er nach dem, was ihm zur Last gelegt wird, als bisher unbescholtener Bürger nach einem Urteil wohl nur eine Bewährungsstrafe zu gewärtigen hat?

All solches wird nicht in Frage gestellt. Die Gewaltlosigkeitsverfechter schlagen erst Alarm, wenn Eltern in ihrem Verantwortungsbereich genau das tun, was auch der Staat in seinem Verantwortungsbereich tut: Physische Macht zum Einsatz bringen, um das Einhalten von Regeln zu erzwingen. Es geht ihnen gar nicht um wirkliche Gewaltlosigkeit oder die völlige Abschaffung demütigender Erziehungsmaßnahmen, es geht ihnen nur um die Entmachtung und damit letztlich um die Zerstörung der Familie. Nachdem in den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts die Familie enthauptet wurde, indem es dem Haupt der Familie juristisch umöglich gemacht wurde, seine Verantwortung für die Seinen tatsächlich durchzusetzen, ist mit der Kriminalisierung elterlicher Züchtigung ein weiterer Schritt zur Anarchisierung der Familie und zur Zerlegung derselben in unahängige Individuen vollzogen worden. Das Eintreten für »Gewaltlosigkeit« ist dabei nur ein durchsichtiger Vorwand, denn Gewaltanwendung wird dem Staat ja weiterhin zugebilligt. Dabei weiß jeder, der die letzten fünftausend Jahre Menschheitsgeschichte nicht völlig verschlafen hat, daß der durchschnittliche Staat als Sachwalter von Gewalt viel eher zum Mißbrauch neigt als der durchschnittliche Familienvater und daß hier im Mißbrauchsfalle die Auswirkungen regelmäßig viel gräßlicher sind. Trotzdem wird hier dem Staat, der die Bürger nicht liebt, sondern verwaltet, Gewaltanwendung zugebilligt, den Eltern aber, die ihre Kinder lieben und deshalb vor Irrwegen schützen müssen, nicht.

Es gibt dann übrigens noch die zweite Art von Gewaltlosigkeitsvertretern: Diese wollen tatsächlich auch dem Staat das Recht zur Gewaltausübung absprechen. Dies würde dann Anarchie auf allen gesellschaftlichen Ebenen bedeuten, aber diese Gruppe ist so klein, daß sie in dieser Betrachtung getrost vernachlässigt werden kann. Wirklich gefährlich sind die Heuchler von Gruppe eins, die »gewaltlose Erziehung« sagen und tatsächlich Anarchisierung der Familie einerseits und totalitäres staatliches Machtmonopol andererseits meinen. Daß mit Frau Staudte ausgerechnet die Grünen, die ja in ihren Anfängen einmal basisdemokratische Vorstellungen verwirklichen wollten, jetzt letzte Regungen tatsächlich ausgeübter Volksgewalt — und sei es nur im familiären Rahmen — zugunsten totaler Staatsmacht auf dem Klageweg beseitigen wollen, ist ein weiterer Erweis der unglaublichen Heuchelei dieser Partei.

Ein grundlegendes Verständnisproblem von Leuten wie Frau Buskotte scheint auch darin begründet, daß sie den Begriff »Demut« negativ besetzt haben. Wenn jemand Demut nicht als Tugend ansieht, dann wird er folgerichtig auch ein Problem damit haben, Demütigung, also die Hinführung zu Demut, dankbar aufzunehmen. In Psalm 119, 67 und 71 lesen wir hingegen:

Ehe ich gedemütigt wurde, war ich ein Irrender, nun aber hüte ich dein Wort.


Gut ist mir, daß ich gedemütigt bin, damit ich lerne deine Gesetze.

 

 

 

Siehe auch: Nachtrag zu diesem Artikel vom 3. Januar 2012

 

 

Nachtrag 26. 5. 12: Die Ermittlungsverfahren gegen Plock wurden eingestellt.


 


Photo © Geier

 

 

 

 

Rückblick 1. Lesertreffen

Beliebte Inhalte



CAPTCHA
Diese Frage hat den Zweck, zu testen, ob man ein menschlicher Benutzer ist und um automatisiertem Spam vorzubeugen.
Bild-CAPTCHA
Bitte die im Bild dargestellten Buchstaben (ohne Leerzeichen) eingeben.

Geierpost buchen

Inhalt abgleichen