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Beschwerdebrief


By Geier - Posted on 09 Mai 2010

9. Mai 2010

 

Ein Leser hat sich über meinen Artikel »Ostjerusalem ›judenrein‹« wie folgt beschwert:

Ihre Meldung vom 26. März, Obama und Merkel hätten ein "judenreines" Ostjerusalem gefordert, kann man so unmöglich stehen lassen. Der Begriff "judenrein" erinnert an die brutale Verfolgung jüdischer Menschen unter der Nazi-Herrschaft.

Tatsächlich geht es aber um die Einhaltung internationaler Verträge durch Israel. Das Völkerrecht verbietet eindeutig die Ansiedlung eigener Staatsbürger durch ein Besatzungsregime, wie es Israel ohne Zweifel darstellt. Legal wäre die Ansiedlung jüdischer Israelis im Westjordanland (arabischen Israelis ist die Ansiedlung in solchen Ortschaften strikt verboten!) nur im Rahmen eines Gebietstauschs mit beiderseitigem Einverständnis. Davon aber kann keine Rede sein. Stattdessen zerschneidet der israelische Sicherheitszaun palästinensisches Territorium und behindert dadurch die Schaffung eines Palästinenserstaates, der mehr ist als nur ein paar geographisch zerschnittene "Bantustans". Bei der Forderung nach einem Siedlungsstop geht es also mitnichten um eine Verfolgung von Juden.

Die Wahrheit ist vielmehr folgende: Israel will keinen unabhängigen und lebensfähigen Palästinenserstaat und hofft darauf, mit seiner schleichenden Annexionspolitik durchzukommen. Und sage keiner, die israelischen Sperranlagen dienten nur dem Schutz vor palästinensischen Terrorangriffen (die selbstverständlich verbrecherisch sind!); diesem Ziel wäre genauso gedient gewesen, wenn man die Anlagen auf der international anerkannten Grenzlinie (evtl. nach einem Gebietstausch) errichtet hätte.

Die ganze Staatsideologie Israels entspricht dem "Blut-und-Boden"-Verständnis europäischer Nationalstaaten (vor allem des chauvinistischen Deutschen Reiches!) im 19. Jahrhundert. Israel will, beispielsweise im Gegensatz zu Frankreich oder den Niederlanden, nicht der Staat seiner Bürger sein, sondern der des (fiktiven) jüdischen Volkes.

Dieser bizarren Idee zu Folge werden jetzt beispielsweise auch "Pseudo-Juden" aus dem indischen Bundesstaat Mizoram ("Bnei Menashe") oder China ("Kaifeng-Juden"; dazu gibt es einige Youtube-Videos) angesiedelt.

Die israelische Staatsideologie beruht auf einem religiös verbrähmten Nationalwahn, der für jeden aufgeklärten Menschen (der Sie - ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen - wahrscheinlich gerade nicht sind) schlichtweg indiskutabel sein sollte.

Meinen Ausführungen werden Sie sich mit Sicherheit nicht anschliessen wollen, - aber bleiben Sie bitte zumindest bei der Wahrheit. Der Begriff "judenreines" Ostjerusalem entspricht ihr ganz gewiss nicht.

Mit freundlichen Grüßen …

 

Ich gestatte mir, gleich auf diesem Wege zu antworten: 

Sehr geehrter …

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Natürlich ist es eine polemisch-satirische Überzeichnung, Merkels Forderungen auf die Formel eines »judenreinen Ostjerusalems« zu bringen. Solche Zuspitzungen sind jedoch ein legitimes Mittel, zum Nachdenken anzuregen, auch wenn — quod erat demonstrandum — natürlich nicht garantiert ist, daß dieser Erfolg sich bei jedem und immer sofort einstellt.

Was den Palästinenserstaat auf israelischem Territorium angeht, für den Sie sich so einsetzen, so gibt es diesen schon seit 1946. Dieser Staat heißt Jordanien. Trotzdem hat Israel dem außerordentlich schmerzlichen Teilungsplan der UNO von 1947 zugestimmt, der vorsah, den kläglichen Rest nochmals in einen jüdischen und einen arabischen Teil aufzuteilen, woraus 1948 die Staatsgründung resultierte. Israel wurde sofort nach seiner Gründung von allen arabischen Nachbarn überfallen, die den Juden überhaupt keine (staatliche oder sonstige) Existenz zubilligten (woran sich bis heute auch nicht viel geändert hat). Daß sie sich dabei eine blutige Nase holten und eben auch Gebiete verloren haben, ebenso wie auch im späteren Jom-Kippur-Krieg, können Sie Israel nicht zum Vorwurf machen, zumal es teilweise objektive geographische und militärstrategische Gründe gibt, die eine wirksame Verteidigung der nackten Existenz Israels ohne diese Gebiete unmöglich machen. Aber so, wie Sie argumentieren, kämpfen Sie wahrscheinlich auch gegen polnische Siedler in Schlesien, tschechische Siedler im Sudetenland und russische Siedler in Ostpreußen.
Ich will hier ausnahmsweise einmal persönlich werden: Mein Vater ist als Jugendlicher aus Schlesien vertrieben worden. Und stellen Sie sich vor: Trotzdem rufe ich nicht dazu auf, alle Polen ins Meer zu werfen, und verbringe ich meine Tage auch nicht damit, in der Garage Kassem-Raketen zu basteln und diese dann am Wochenende von den sächsischen Wäldern aus über die Neiße zu feuern, um irgendwelche politischen Ziele in Schlesien zu erreichen. Und wissen Sie was? Inzwischen bin ich in dort jederzeit als Tourist willkommen, und wenn ich wollte, dürfte ich mich dort sicher auch niederlassen. Ich habe freilich auch meine Kinder nicht dazu erzogen, daß ihre höchste Erfüllung darin bestünde, sich einen Sprengstoffgürtel zu basteln und sich zusammen mit einer möglichst großen Zahl dieser polnischen Papisten in die Luft zu jagen. Die Araber aber, für die Sie so vehement eintreten — oder eher deren Eltern — haben infolge eines antisemitisch motivierten Angriffskrieges ihre Heimat verloren. Sie finden sich jedoch weder mit den Folgen ihres Tuns ab noch versuchen sie, eine Rückkehr zu erreichen, indem sie sich einfach mal ein paar Jahrzehnte lang in Demut wie nette Nachbarn betragen, die hart arbeiten, damit sie die Möglichkeit haben, angerichteten Schaden wieder gutzumachen, sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen und ansonsten immer mal bescheiden nachfragen, ob sie nicht irgendwo helfen können — so, wie dies die Deutschen in den letzten Jahrzehnten (manchmal bis zur Selbstaufgabe) getan haben. Stattdessen schüren sie Feindschaft, wo immer das geht. Um es mit Prof. Dan Shueftan zu sagen:

Arabs are perfectionists: they insist on making every possible mistake.

Insofern ist es auch nicht richtig, daß, wie Sie behaupten, Israel »keinen unabhängigen und lebensfähigen Palästinenserstaat« wolle, vielmehr haben die arabischen Eliten selbst gar kein Interesse an einem weiteren Palästinenserstaat, den sie ansonsten schon längst hätten haben können — erstens, weil sie dann Israel nicht mehr so bequem für ihr eigenes Scheitern verantwortlich machen könnten, zweitens, weil sie den derzeitigen instabilen Zustand am köcheln halten wollen, um Israel zu schaden und letztendlich auch, um auf unbestimmte Zeit weiterhin internationale Hilfszahlungen kassieren zu können.

Ach ja, dann ist da noch der Zaun, den Sie rügten (immerhin, das erkenne ich durchaus an, haben Sie sich im Gegensatz zu den meisten anderen Antizionisten den Begriff »Mauer« verkniffen). Da dieser ganz unbestritten zu einem drastischen Rückgang der Terroranschläge geführt hat, ist er auch gerechtfertigt. Wahrscheinlich lehnen sie israelische Militäroperationen wie »Cast lead« genauso ab wie den Sicherheitszaun; interessant wäre Ihre Lösungsalternative zum Terrorproblem. Daß man Leuten, die sich explicit darauf festgelegt haben, die Juden ausrotten zu wollen, mit guten Worten oder »Land für Frieden« beikommen könne, ist eine These, die seit Jahrzehnten als widerlegt gelten kann.

Recht geben muß ich Ihnen, was mein Verhältnis zur Aufklärung angeht: Meine wesentlichen Denkvoraussetzungen sind tatsächlich voraufklärerisch, nämlich biblisch begründet. Das halte ich aber für weniger problematisch als Ihre Bemerkungen über »Pseudo-Juden«. Denn wenn Sie das persönliche Bekenntnis eines Menschen nicht zum Erweise seines Judentums (und damit umgekehrt auch seines Nichtjudentums) gelten lassen wollen, greifen Sie damit auf die selben Zuordnungen zurück, die vor einem Dreivierteljahrhundert viele wegen ihrer Vorfahren als Juden stigmatisiert haben, die schon lange mit ihrem Judentum abgeschlossen hatten. Und das ist schlichtweg Rassismus. Und wenn Sie schon von »fiktiven Völkern« reden, wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit doch den »Palästinensern« zu, die vor wenigen Jahrzehnten noch schlicht Araber waren und sich erst kürzlich als »palästinensisches Volk« erfunden haben. Die Juden sind schon einige Jahrtausende länger ein Volk.

Um zum Ausgangspunkt Ihrer Kritik zurückzukommen: Natürlich weiß ich, daß der Begriff »judenrein«, wie Sie richtig schreiben, »an die brutale Verfolgung jüdischer Menschen unter der Nazi-Herrschaft« erinnert. Deshalb habe ich ja diesen Begriff gewählt. Denn der arabische Antisemitismus ist durchaus nicht besser als der national-sozialistische. Man darf nicht vergessen, daß es Hamas, Hisbollah etc. nicht um Land oder Eigenstaatlichkeit geht, sondern (nach eigenen Aussagen) um die Vernichtung Israels und die Ausrottung der Juden:

»Es gibt keine Lösung des Konflikts außer der Vernichtung Israels«; »Wenn sie [die Juden] alle nach Israel einwandern, erspart es uns die Mühe, ihnen weltweit nachzustellen« (Hassan Nasrallah, Hezbollah);

»Allah wird Rache nehmen, im Namen seines Propheten, an diesen kolonialistischen Siedlern, die Nachkommen von Affen und Schweinen sind.« (I. Sabri, Mufti of the Palestinean Authority)

»Israel existiert und wird weiter existieren, bis der Islam es ausgelöscht hat, so wie er schon andere Länder vorher ausgelöscht hat.« (Hamas-Charta, Präambel)

»Der Prophet — Andacht und Frieden Allahs sei mit ihm – erklärte: Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten; bevor sich nicht die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, welche ausrufen: Oh Muslim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt; komm und töte ihn!« (Hamas-Charta, Art. 7)

»Friedensinitiativen und sogenannte Friedensideen oder internationale Konferenzen widersprechen dem Grundsatz der Islamischen Widerstandsbewegung. Die Konferenzen sind nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen … Für das Palästina-Problem gibt es keine andere Lösung als den Jihad. Friedensinitiativen sind reine Zeitverschwendung, eine sinnlose Bemühung.« (Hamas-Charta, Artikel 15)

Und hier demaskiert sich der Antizionismus als das, was er wirklich ist: Antisemitismus. Dieser kann nicht »wegverhandelt« werden. Erschwerend für Verhandlungen ist außerdem, daß sich die Hamas nicht an Verträge mit »Ungläubigen« — also mit Nichtmoslems — gebunden fühlt. Eine strenge Auslegung des Islam erlaubt es einem gläubigen Muslim nicht, mit Ungläubigen Verträge abzuschließen. Wenn er das doch tut, dann nur aus Gründen der Taqiyya (Verschleierung, Taktik), um Zeit zu gewinnen und sich weiter für den Kampf zu rüsten.

Solange diese menschenverachtende, antisemitische Ideologie besteht, gilt:

»Wenn die Araber die Waffen niederlegen, wird es keinen Krieg mehr geben. Aber wenn Israel die Waffen niederlegt, wird es Israel nicht mehr geben.«

Postscriptum: Nirgends in meiem Artikel hat überhaupt gestanden, daß Frau Merkel und Herr Obama ein »judenfreies Ostjerusalem« gefordert hätten; ich hatte lediglich festgestellt, daß ihre Forderungen nach einem Baustop in Ostjerusalem darauf hinauslaufen, die Vertreibungen der ostjerusalemer Juden durch die Arabische Legion dauerhaft zu cementieren.

 

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