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Bekloppt oder psychotisch?


By Geier - Posted on 15 April 2010

14. April 2010


Schwierige Bibelstellen V: Mt. 5, 22 

 

Ich aber, ich sage euch, daß alljeder Erzürntseiende aufgrund seines Bruders einbehabt sein wird  dem Gericht; wer aber gleichsam »Raka!« sagt zu seinem Bruder, wird einbehabt sein dem Synedrium; wer aber gleichsam sagt: »Du Törichter!«, wird einbehabt sein hinein in die Gehenna des Feuers.

Kaum einer meiner Leser wird schon einmal zu jemandem »Raka« gesagt haben. Das liegt wohl hauptsächlich daran, daß selbst diejenigen, die zu gelegentlichen Wutausbrüchen neigen, in unseren Breiten eher selten auf das Aramäische zurückgreifen. Die meisten Übersetzer scheuen sich davor, dieses »raka« zu übertragen, weil der Satz dann seine Problematik offenbart. Denn Raka bedeutet auch nichts anderes als das hernach mit »Törichter« übersetzte μωρος [moros]. Die Übersetzungen, die Raka übertragen, schreiben folgerichtig denn auch »Narr« oder »Tor«.

Was nun? Wer seinen Bruder als töricht [raka] bezeichnet, wird dem Synhedrium verfallen sein, wer ihn aber als töricht [moros] bezeichnet, wird der Gehenna verfallen sein? Haben wir es mit einem unterschiedlichen Maß des Gerichts bei einem gleichen Vergehen zu tun? Das würde Gottes Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen. Was also ist der substantielle Unterschied zwischen »raka« und »moros«, der die Ungleichbehandlung im Gericht rechtfertigt?

»Raka« ist ein aramäisches Wort, »moros« hingegen ein hellenisches (griechisches). Das Aramäische war zu dieser Zeit in Israel die Volks- und Umgangssprache, das Hellenische hingegen die internationale Verkehrs- und Wissenschaftssprache der Gebildeten. Wenn also damals jemand in der Umgangssprache seinen Nächsten einen »Bekloppten« genannt hat, weil der ihm vielleicht einen Hammer auf den Fuß hat fallen lassen oder die Vorfahrt genommen, so war das sicherlich eine unerfreuliche spontane Taktlosigkeit, aber durchaus eine Sache, welche die weltliche Gerichtsbarkeit sühnen konnte. Griff aber der Schimpfer zum Hellenischen, so war dies keine unüberlegte Entgleisung, dann stand der Anspruch des Bildungsbürgers dahinter, hier eine sachliche Tatsachenfeststellung zu treffen. Hier wollte jemand tatsächlich seinem Gegenüber seine geistige Gesundheit absprechen. Dieses Vergehen stuft Gott offensichtlich deutlich schwerer ein und behält sich eine Sühne selbst vor.

Ehrlich gesagt: Ich wäre da auch nicht drauf gekommen, wenn ich vor einiger Zeit nicht selbst erlebt hätte, daß jemand, um sich einer für ihn unbequemen Wahrheit nicht stellen zu müssen, denjenigen, der sie ausgesprochen hat, für geisteskrank erklärt hätte — nicht im Zorn, sondern mit wohldosierten Worten und ganz offensichtlich mit der überlegten Absicht, sich selbst dadurch zu rechtfertigen und zu entlasten. Als ich noch über den Vorfall nachdachte, erklärte sich diese seltsame Schriftstelle auf einmal.

Die Motive, jemanden für verrrückt zu erklären, sind außerordentlich vielfältig. In Diktaturen gehört die Entmündigung des Gegners ohnehin zum Standardwerkzeug politischer Auseinandersetzung. Ein Psychiater hat mir einmal von behördlichen Bestrebungen in der DDR erzählt, eine ältere Frau mittels psychiatrischer Gefälligkeitsgutachten zu entmündigen, um an ihr Erbe heranzukommen, das als kulturhistorisch wertvoll galt. Und die Einweisung der kerngesunden Melissa Busekros in die Jugendpsychiatrie in Erlangen hatte ich ja schon an anderer Stelle kommentiert. Hier wollte das Jugendamt durch die Psychiatrisierung eines gesunden Mädchens hauptsächlich Druck auf die Eltern ausüben. Auch sonst scheint solcherart Entmündigung ein probates Mittel zu sein, unbequeme Zeitgenossen beiseitezusetzen. So sind allen ernstes schon »christliche« Ehefrauen gesichtet worden, die ihr Männer als unzurechnungsfähig bezeichnen, um auf diese Weise einen Vorwand zu gewinnen, ihre permanente Rebellion zu rechtfertigen: Wer geistesgestört ist, so das Kalkül, dem müsse man sich schließlich nicht unterordnen. Und schon ist man wieder mit sich selbst in reinen … nur eben mit Gott nicht.

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