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Alte Seilschaften


By Geier - Posted on 19 November 2012

19. November 2012

 

Im 24. Vers des 118. Psalms lesen wir: »Dies ist der Tag, den Jahweh gemacht, wir wollen uns freuen und frohlocken in ihm.« Um den ganzen Wert dieses Verses zu erschließen, ist hier eine Besonderheit des Hebräischen zu beachten: Die Fügung היום (HaJom), »dieser Tag«, bedeutet »heute«. Wir können also auch lesen: »Das Heute hat Jahweh gemacht.«

Das heißt, wir sollen weder im Gestern noch im Morgen zuhause sein, sondern im Heute.

»Nicht einer, der seine Hand auf den Pflug zu getrieben hat und blickt in Richtung auf die hinter ihm, ist geeignet in der Regentschaft des Gottes« (Lk. 9, 62). Viele Christen haben ihre Vergangenheit aber nicht wirklich angepfahlt[G]. Bei einigen, wenn sie davon erzählen, aus welchen Dingen sie befreit wurden, meint man, sie würden sich der Verfehlungen ihrer Vergangenheit rühmen. Aber auch jenseits dieses Phänomens gibt es viele, die nicht wirklich mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen haben; nicht wenige verklären sie in der Rückschau regelrecht. Paulos sagt: »Jedoch, was irgend mir Gewinn war, dies habe ich wegen des Christos als Verlust eingestuft« (Phlp. 3, 7). Etliche aber halten ihre Vergangenheit nicht für einen kompletten Schadensfall, sondern für einen kostbaren Schatz und bleiben ihr dadurch verhaftet. Sie können deswegen nicht im »Heute«, im היום Jahwehs ankommen, in dem sie selbst und damit auch alles, was zu ihnen gehört hat, mit dem Christos an den Pfahl geschlagen und damit endgültig hinweggetan ist, damit das Auferstehungsleben des Christos in ihnen wirken kann.

Die Seile, die an das Vergangene binden, können vielfältige Gestalt haben. Das können Menschen sein, Gewohnheiten, Ideologien oder Gegenstände. Da uns das Abschneiden der Vergangenheit verunsichert, wird ein solches Seil als Haltepunkt wahrgenommen, als sicherndes Seil, dabei wird übersehen, daß es tatsächlich ein fesselndes Seil ist.

Wer Christ sein will, ohne seine Vergangenheit anzupfahlen und damit unwiderruflich abzulegen, ist für den Christos wie eine Braut, die nicht bereit ist, aus ihrem Volk und ihres Vaters Haus auszuziehen (Ps. 45, 11). Eine solche Braut kommt nie in dem Haus ihres Mannes an; selbst wenn sie dem äußeren Schein nach dort einzieht, wird sie dort nie ganz heimisch werden; am Ende wird sie dort mehr Zerstörung anrichten als Nutzen, weil ihr Herz immer noch den Geistern aus ihrem Vorleben gehört.

Andere sind zwar nicht in der Vergangenheit, aber in einer imaginären Zukunft zuhause. Sie warten auf eine Veränderung, auf die Lösung dieses oder jenes Problems — was an sich durchaus nicht falsch sein muß — verlieren dadurch aber den Blick auf das Heute und darauf, daß diese Wartezeit auch zum »Heute« Jahwehs gehört. Paulos und Silas warteten nicht erst, bis sie aus dem Gewahrsam entlassen würden, um Gott zu loben (Apg. 16, 25), sie wußten, daß auch die Zeit der Bedrängung zum »Heute« gehört, das Jahweh gemacht hat.

Aber nicht nur die Erwartung einer besseren Zukunft, auch die Furcht vor der Zukunft kann vom »Heute« ablenken:

Daher, nicht solltet ihr sorgen in Richtung auf den anderen Tag, denn der andere Tag wird betreffs sich selber sorgen; genügend ist dem Tag seine Übelhaftigkeit (Mt. 6, 34).

Im Hebräerbrief ist beschrieben, wie die Generation, die aus Mizrajim (Ägypten) ausgezogen war, das Verheißene nicht erlangen konnte, weil sie am Tag der Versuchung in der Ödnis nicht erkannten, daß auch dieser Tag ein היום, ein »Heute« Jahwehs war. Sie waren einerseits noch in Mizrajim zuhause und trauerten der Vergangenheit nach, einige waren möglicherweise in Gedanken auch schon im künftigen Land der Verheißung, aber der Zwischenzeit, dem ihnen zugeordneten »Heute« in der Wüste, begegneten sie mit Rebellion (H. 3, 7ff):

Darum, so wie der heilige Geist sagt: Heute, so ihr seine Stimme höret, nicht solltet ihr eure Herzen verhärten wie in der Versuchung, gemäß dem Tag der Versuchung in der Ödnis,
wo eure Väter mich infolge ihres Prüfens versuchten und doch meine Gewirkten vierzig Jahre gewahrten. 
Darum ekelte ich mich aufgrund dieser Generation, und ich sagte: Stets sind sie beirrt in dem Herzen. Sie aber, nicht kannten sie meine Wege,
wie ich in meinem Zorn beeidete: Wehe, wenn sie in meine Herabruhe hineinkommen werden!

Deshalb schließt sich die Mahnung an:

Erblicket, Brüder, daß nicht irgendwann in jemand von euch ein böses Herz des Untreuns[G] sein wird in dem Abstehen von dem lebenden Gott,
sondern rufet euch selber beiseite  gemäß einem jeglichen Tag, bis dahin, daß noch das »Heute« gerufen ist, auf daß nicht jemand aus euch verhärtet werde mittels Täuschung der Verfehlung. 

 

 

 

 

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