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Erfundene Realitäten
22. Januar 2012
Vor knapp drei Jahren hatte ich auf das als »Pallywood« bekannte Phänomen hingewiesen, das darin besteht, erfundene und dramaturgisch inscenierte Filmbeiträge der Öffentlichkeit als Dokumentationen zu verkaufen.
In Deutschland scheint das undenkbar, daß es aber auch hier mit der journalistischen Sorgfalt nicht zum besten steht, zeigt Sebastan Heiser mit einer aufwendigen Recherche für die »tageszeitung«: Bei einem knappen Dutzend Zeitungen hat er versucht, mit bezahlten Anzeigen Einfluß auf redaktionelle Inhalte zu nehmen — mit unterschiedlichem, aber insgesamt doch sehr beeindruckendem Erfolg.
Auch im Fernsehen verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zunehmend: Ende letzten Jahres wurde bekannt, daß gemäß einer Studie der »Gesellschaft zur Förderung des internationalen Jugend- und Bildungsfernsehens« etwa drei Viertel der jugendlichen Zuschauer die sogenannten »Scripted-Reality-Shows« mehr oder weniger für bare Münze nehmen, das sind Sendungen, die zwar wie Dokumentationen aussehen, in denen aber tatsächlich frei erfundene Handlungen nach Drehbuch ablaufen. Nach einer Forsa-Umfrage sind dies zwar nur 18%, immerhin gaben dort aber 60% der befragten Jugendlichen an, daß es ihnen überhaupt gleichgültig sei, ob das Gesehene real oder fiktiv sei.
Bei solchem Publikum haben die Täuscher leichtes Spiel, wie es gemacht wird, zeigt beispielhaft dieser Film:
Nachtrag 23. 1. 12: Gerade noch zum Thema gefunden: SOE kommentiert eine Pseudo-Dokumentation, die offensichtlich weitgehend dem Scripted-Reality-Konzept entspricht: Wie zeichne ich mit echten Filmaufnahmen eine weitgehend fictive Realität.
Nachtrag 15. 2. 12: »Eine junge syrische Bloggerin ist 40 und trägt Bart«: Ein Student in Edinburgh erfindet die Identität einer syrischen Bloggerin.
Nachtrag 3. 1. 13: RTL verstärkt den Täuschungseffekt durch parallele Inszenierung im Fernsehen und in sozialen Netzwerken.