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Kleine Zeitungsschau VI


By Geier - Posted on 10 Januar 2012

10. Januar 2012

 

Warum es hier neben strikt geistlichen Themen auch Kommentare zum Zeitgeschehen gibt? In Lukas 13, 1 — 5 lernen wir, daß auch Jesus das aktuelle Tagesgeschehen geistlich erklärt und ausgewertet hat. Offensichtlich war er bestens informiert, sonst hätte er, auf die Galiläer und den römischen Gouverneur angesprochen, das vergleichende Beispiel mit dem Turm vom Siloam gar nicht anbringen können.


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Der Bundesrepublik ist es gestern erstmals in ihrer Geschichte gelungen, Geld zu negativen Zinsen zu leihen. Bei der Versteigerung der Wertpapiere im Wert von fast vier Milliarden Euro mit einer Laufzeit von sechs Monaten fiel der Zins auf minus 0,0122 Prozent. Das heißt, die Anleger zahlen der Finanzagentur des Bundes noch Geld dafür, daß sie Deutschland Geld leihen dürfen, sie legen auf den Kredit noch eine Prämie drauf, sozusagen eine »Aufbewahrungsgebühr« für ihr Geld. Es handelt sich hier um institutionelle Anleger — Banken, Investoren, Fonds — die ja eigentlich mit dem Geld ihrer Kunden Gewinne erwirtschaften müßten.

Negative Zinsen sind in einem deflationären Umfeld denkbar, in einem inflationären Kontext widerspricht dies der wirtschaftlichen Logik. Und tatsächlich gibt es auch keine Deflationserwartungen, die dies erklären könnten, es gibt nur einen Grund, daß die Investoren hier bares Geld verschenken: Panik. Die blanke Angst geht um, daß Geld, das regulär gegen marktübliche Zinsen an Geschäftsbanken verliehen wird, ganz verloren gehen könnte, wenn diese zusammenbrechen. Also parkt man es lieber beim deutschen Staat, den man für einen einigermaßen sicheren Schuldner hält, auch wenn man dabei draufzahlt. Auch Dänemark hat vor wenigen Wochen eine Anleihe mit negativen Zinsen begeben können, allerdings können Anleger aus dem Euro-Raum in diesem Falle wenigstens auf Kursgewinne mit der Dänischen Krone spekulieren, wenn der Euro weiter fällt.

Historisch gesehen sind negative Zinsen ein extrem seltenes Phänomen. In den sechziger und siebziger Jahren hatte die Schweiz zwangsweise einen Negativzins für ausländische Anleger eingeführt, um die Kapitalflucht in den Schweizer Franken zu beschränken. So ungesund das Zinssystem schon im regulären Betrieb ist, es ist ein beunruhigender Vorgang, der von einer schwerwiegenden Störung des Wirtschaftgefüges zeugt, daß hier nun ohne gesetzlichen Zwang ein Negativzins entstanden ist.

 

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»Über diese Affäre ist wirklich alles und von allen gesagt worden.« — So schreibt heute die Frankfurter Allgemeine und sie meint damit die Affaire Wulff. Auch wenn dies bei der derzeitigen Penetranz der Berichterstattung in dieser Sache ein naheliegender Gedanke ist: Er ist doch nicht ganz richtig. Ein nicht eben unwesentlicher Aspekt ist, soweit ich sehe, bisher ganz und gar unbeachtet geblieben: Es ging ja in der Sache ursprünglich um die Frage, ob Wulff eine Geschäftsverbindung zu dem Unternehmer Egon Geerkens unterhalte, mit dem er freundschaftlich verbunden ist. Dies hatte er vor dem niedersächsischen Landtag bestritten. Als sein Privatkredit ruchbar wurde, zog er sich zunächst auf die Position zurück, daß er diesen von der Ehefrau des Unternehmers, Edith Geerkens, erhalten habe, demnach also keine Geschäftsbeziehung zu Herrn Geerkens bestanden habe.

Nun gibt es hier zwei Möglichkeiten: Entweder hat Egon Geerkens seine Frau beauftragt, Wulff den Kredit auszubezahlen, dann hat sie hier, wie das ja auch ihre Aufgabe ist, als »seine rechte Hand« gewirkt. In dem Fall hat Wulff den Landtag klar belogen, da er den Kredit dann tatsächlich von Egon Geerkens erhalten hat. Oder — dies wäre die zweite theoretische Möglichkeit — Frau Geerkens hat den Kredit heimlich hinter dem Rücken ihres Mannes ausbezahlt, dann wäre das strenggenommen ein ehebrecherischer Vorgang. Wenn eine Frau einem Dritten eine halbe Million Euro leiht, ohne dazu von ihrem Manne beauftragt zu sein, handelt sie in hohem Maße verwerflich. Ein Mann, der von einer verheirateten Frau ein Darlehen in dieser Höhe entgegennimmt, ohne die Gewißheit zu haben, daß dies im Auftrag ihres Mannes geschieht, handelt ehebrecherisch, und wenn er auf diese Art auch noch einen Freund hintergeht, ist dies umso verwerflicher. Nun ist dieses Scenarium freilich extrem unwahrscheinlich; naheliegend ist, daß Wulff das Darlehen tatsächlich von Geerkens erhalten hat, dies einvernehmlich über dessen Frau umgeleitet wurde und Wulff hier wirklich nur den Landtag belogen hat.

War dies so, ist aber die Verteidigungsstrategie höchst irritierend: Um die geringere Verfehlung der Lüge gegenüber dem Landtag zu überdecken, wird eine viel schwerwiegendere Verfehlung erfunden: Das Hintergehen eines Freundes unter Einbeziehung von dessen Ehefrau. Die ganze Pressemeute aber, die im Moment jeden Stein in der Nähe des Schlosses Bellevue umdreht, um nachzusehen, ob sich dort nicht doch noch belastendes Material gegen Wulff findet, beachtet ausgerechnet diesen Aspekt überhaupt nicht. Wahrscheinlich ist ein Präsident, der sagt: »Ich habe keine Geschäftsverbindung zu diesem Unternehmer, mein Kredit ist ganz legal zustandegekommen, indem ich die Ehe dieses Mannes für Nichts geachtet habe« der ideale, der passende Volks-Repräsentant in dieser ehebrecherischen Generation (Mt. 12, 39).

 



Photo: © Geier

 

 

 

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