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Kinder an die Macht?


By Geier - Posted on 18 Juli 2012

18. Juli 2012

 

Spätestens mit der Piratenpartei ist die Infantilisierung der Gesellschaft, die sich schon seit Jahren in der Besiedlung der Schreibtische deutscher Amtsstuben durch Ü-Ei-Figuren manifestiert, nun auch in der Politik angekommen. Dabei hat Deutschland früher schon Kuriositäten wie die Biertrinkerpartei ohne größeren Schaden überstanden und »Die Partei« von Titanic-Redakteur Sonneborn irrlichtert ja auch noch immer durch die Talkshows des Landes. Nur: Die wählt eben (fast) niemand, weil jeder weiß: Die wollen nur spielen. Nun sollte man meinen, daß auch bei einer Partei, die sich freiwillig »Piratenpartei« nennt, jedem sofort klar ist, daß da ein — sagen wir es mal freundlich — ernsthaftes Ernsthaftigkeitsdefizit besteht. Aus unerfindlichen Gründen ist es diesem Kasperlclub aber trotzdem gelungen, über 180 kommunale Mandate zu erringen und mit dem Berliner Abgeordnetenhaus sogar ein Landesparlament zu erobern. Deutschland kann ja manchmal so richtig peinlich sein:

In Schleswig-Holstein wünscht sich Oberpirat Torge Schmidt das »Bedingungslose Grundeinkommen«. Auf die Frage einer Moderatorin, wie das denn finanziert werden solle, fällt ihm zunächst ein:

»Wir ha’m ja leider ne ziemlich scheiße Haushaltslage.«

Bis er, da noch mehr Schulden ihm denn doch zu abenteuerlich erscheinen, meint, daß das Geld dann eben »irgendwo anders herkommen« müsse.

Ein ehemaliger Pressesprecher der Partei beschwerte sich über Mobbing und darüber, daß er auf einer Landesmitgliederversammlung mit einem Lan-Kabel geschlagen worden sei. Um die innerparteiliche Aggressivität halbwegs in den Griff zu bekommen, ist in der offiziellen Geschäftsordnung des Berliner Landesverbandes doch tatsächlich festgeschrieben, daß die Tagesordnung von Parteitagen zur Deeskalation mit einer Folge der Trickfilmserie »My little Pony« unterbrochen werden kann. Der Spieleverlag Hasbro, der die Serie produziert, weist allerdings darauf hin, daß die Zielgruppe der Serie Mädchen im Vorschulalter seien. Immerhin: Der intellektuelle Anspruch der Serie mit den knallbunten Pferdchen scheint wenigstens knapp über dem der »Teletubbies« zu liegen. Ziemlich knapp. Selbst ein Bällebad gehört zum Requisitorium der Piraten. Das sind diese Bassins voller kleiner bunter Kunststoffbälle, die in den Kinderspielbereichen großer Einkaufszentren zu finden sind. Dort sind sie freilich meistens nur für Kinder bis zu zwölf oder vierzehn Jahren zugelassen. Anders bei den Piraten. Hier gehört solch eine Kinderbespaßungseinrichtung obligatorisch zur Ausstattung eines Parteitages.

Überhaupt: Realitätsflucht scheint für die Piraten eine gängige Übung zu sein. Die ehemalige politische Geschäftsführerin Marina Weisband vergnügt sich in der freien Zeit, die ihr neben Psychologiestudium, Künstlerdasein und Piraterie noch bleibt, mit »Live Action Role Plays«. Das sind Rollenspiele, bei denen die Teilnehmer für ein Wochenende oder länger Gestalten einer Phantasiewelt darstellen, um ihrem traurigen Dasein für eine Weile zu entfliehen.

Selbiges Frl. Weisband forderte im April auf dem Piratenparteitag in Neumünster die versammelten Freibeuter auf:

»Laßt uns einen geilen Vorstand wählen!«

Ist ein allzeit paarungsfreudiger, vulgo »geiler« Vorstand etwa die Antwort der Piraten auf das deutsche Demographieproblem?

Das darf bezweifelt werden, denn solch dröge, irdene Dinge wie Familie und Arbeit scheinen für die Piraten nicht gerade die vorrangigen Betätigungsfelder zu sein. Der neue politische Geschäftsführer Johannes Ponader gab dem »Spiegel« gegenüber zu Protokoll:

»Ich ertrage es nicht, in Arbeitssituationen zu sein, die für mich nicht stimmig sind, aber so ist fast jedes Angestelltenverhältnis.«

Glücklicherweise muß der Lebenskünstler das auch nicht, denn es gibt ja das ALG II, landläufig als »Hartz IV« bekannt, auch wenn Ponader diesen Begriff nicht liebt, da er stigmatisierend sei.

Auch mit anderem Erwachsenenkram haben die Piraten so ihre Probleme. Zum zweiten Mal ist die Aufstellung der Landesliste für die niedersächsische Landtagswahl gescheitert, weil sich hinterher herausgestellt hatte, daß eben mal Minderjährige oder Ausländer an der Wahl der Kandidaten beteiligt waren.

Vielleicht, so legen all diese Äußerungen und Vorfälle nahe, ist ja in Wahrheit diese ganze Piratenpartei nur ein einziges großes »Life Action Role Play«, ein gigantisches Piratenspiel für Spätpubertierende, die institutionalisierte Verweigerung, erwachsen zu werden. Eine plausiblere Erklärung will mir nicht einfallen. Es bleibt aber immer noch das große Mysterium: Wer sind dann die Verrückten, die diese Aufführung für bare Münze nehmen und sich tatsächlich von diesen Kindsköpfen regieren lassen wollen?

 

Nachtrag 18. 9. 12: Piratenpolitikerin Schramm findet geistiges Eigentum ekelhaft, entdeckt aber ihre Liebe zum Urheberrecht — wenn es um ihr eigenes commerzielles Buch geht.

 

 

 

Photo: © Geier

Die abgebildeten Personen sind nicht notwendig Mitglieder der Piratenpartei.

 

 

 

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