Sie befinden sich hier»No food shall be grown, that we don’t own.«
»No food shall be grown, that we don’t own.«
18. Juni 2009
Die Kontrolle der Welternährung
Am 25. Januar hatte ich geschrieben:
»… Überhaupt neigt die Industrie seit einigen Jahren dazu, lieber Nutzungsrechte zu überlassen als Waren zu verkaufen. Bei Software ist man schon gewohnt, nicht das Produkt, sondern nur eine Nutzungslizenz zu erwerben. Jetzt kommt die Hardware: So werden gewerbliche Großkopierer schon sehr häufig nicht gekauft, sondern gegen ›Klick-Preis‹ überlassen, d. h., der Kunde zahlt einen monatlichen Grundbetrag und einen zusätzlichen Preis je Kopie. Für den Anbieter hat das große Vorteile, er hat den Kunden ständig an der Leine. Der Kunde wird damit geködert, daß er eine gut planbare monatliche Belastung habe, aber natürlich zahlt er insgesamt normalerweise mehr, als wenn er das Gerät einfach kaufen würde.
Auch die Automobilindustrie wälzt seit einiger Zeit Konzepte, die dazu führen sollen, dem Kunden nicht einfach ein Fahrzeug zu verkaufen, sondern ›die Dienstleistung Mobilität‹. Der Nutzer wird damit in höhere Abhängigkeit vom jeweiligen Hersteller gebracht.
Auch die Praxis, in Fahrzeuge und selbst in einfache mechanische Geräte immer mehr Elektronik zu verbauen, bringt häufig eine ganz besondere Art der ›Kundenbindung‹ mit sich: Solche Geräte können nicht mehr von jedem freien Mechaniker repariert werden, sondern nur noch von dem, der im Besitz der elektronischen Codes ist: dem Hersteller. Damit hat dieser im Reparaturbereich — der in einigen Branchen lukrativer ist als der Neuverkauf — allen Wettbewerb vom Halse und kann den Kunden mit absurd hohen Reparaturpreisen belasten. Dieser ist, selbst wenn er das Produkt gekauft hat, beinahe genausowenig »Herr« über seinen Besitz wie ein Mieter. Denn er hängt genauso an der Leine des Produzenten, der nach einigen Jahren den Service einstellen oder weiter verteuern kann und damit den Kunden zwingen, etwas neues zu kaufen.«
Ein besonders perfides Beispiel einer derartigen »Kundenbindung« ist bei der Saatgutfirma »Monsanto« zu beobachten: Seit fast sechstausend Jahren pflegen Landwirte einen Teil ihrer Ernte zurückzubehalten und als Saatgut für die nächste Aussaat aufzubewahren. Das begrenzt natürlich die Umsätze von Saatgutverkäufern, da ein eingespielter Landwirtschaftsbetrieb sich dadurch weitgehend selbst mit Saatgut versorgen kann. Die Firma Monsanto hat sich nun ihr gentechnisch verändertes Saatgut patentieren lassen und verkauft es nur an Landwirte, die einen Knebelvertrag unterschreiben, der ihnen genau dies verbietet: Saatgut aus ihrer eigenen Ernte einzulagern und weiterzuverwenden. Das bedeutet natürlich, daß der Landwirt jedes Jahr aufs neue bei Monsanto einkaufen muß. Betriebswirtschaftlich mag das erst einmal sogar aufgehen, weil die Mehrkosten dadurch aufgewogen werden, daß Monsantos Gen-Mais gegen Unkrautvernichter resistent ist. Allerdings ist der tatsächliche Preis für diesen Vorteil eben höher als die bloßen Saatgutkosten: Zugespitzt betrachtet mutiert der freie Landwirt dadurch zum Lohnsklaven, der nicht mehr frei am Markt agiert, Saatgut kauft und seine Erzeugnisse nach freiem Entschluß verwendet oder weiterverkauft; eigentlich ist er nun faktisch Subunternehmer von Monsanto, ein Landarbeiter, der seine Agrarflächen nach deren Bedingungen und Vorgaben zu nutzen hat und auch kein unbeschränktes Eigentum an den eigenen Erzeugnissen hat. Roland Lindner schreibt dazu in der F.A.Z.: »Monsanto verändert nicht nur die Gene des Saatguts. Es verändert das Erbgut der Landwirtschaft.«
Landwirte, die in den Verdacht geraten, die Vorgaben von Monsanto nicht genauestens zu beachten, werden durch Detektive überwacht und zu exorbitant teuren Rechtsstreiten gezwungen, die sie meist nicht lange durchstehen — eine anschauliche Illustration von Jak. 2, 6.
Die Sache beschränkt sich inzwischen nicht mehr auf den amerikanischen Markt: Jedenfalls hat der ehemalige amerikanische Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, das Kriegsrecht genutzt und mit seinem Erlaß 81 dafür gesorgt, daß ein außerordentlich restriktives Patentrecht den bis dahin üblichen freien Handel und Austausch von Saatgut zwischen kleinen irakischen Landwirten künftig wohl unterbinden, zumindest drastisch einschränken könnte, wodurch diese in Abhängigkeit von Firmen wie Monsanto geraten.
Die eigentliche Gefahr, die hiervon ausgeht, reicht noch viel weiter: Während bisher die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in den Händen unzähliger landwirtschaftlicher Betriebe lag, besteht durch die rigide Patentierung von Saatgut die Gefahr, daß die gesamte Nahrungsmittelversorgung künftig von wenigen weltweit operierenden Firmen abhängt. Dadurch besteht die reale Möglichkeit von Kartell- und Monopolbildungen mit weltweiter Wirksamkeit. Kommen solche Kartelle zustande, ist es möglich, die Weltbevölkerung quasi als Geisel zu nehmen: Nahrung könnte wieder für sehr viel mehr Menschen unerschwinglich werden, die Gefahr von Hungersnöten, die in der westlichen Civilisation seit langem gebannt scheint, könnte wieder akut werden. Die Verteuerung von Getreide, die in Offenb. 6, 6 beschrieben ist, könnte durchaus auf diese Art zustandekommen.
Nachtrag 1. 7. 10: Monsanto versucht, Haïti zu erobern
Nachtrag 28. 4. 13: »… fortschreitende Monopolisierung des weltweiten Saatgutmarktes« — Die Süddeutsche über die geplante neue EU-Saatgutverordnung
Ähnliches Thema: Wie Chemiekonzerne indische Bauern an sich binden und dabei den Konzentrationsprozeß in der indischen Landwirtschaft befördern: Artikel von Christoph Hein:
Indische Sojabauern
Wenn der Gott BASF heißt
Jedes Jahr trinken 20.000 indische Kleinbauern ihr Insektizid, um sich das Leben zu nehmen. Sie sind überschuldet. Jetzt hat BASF ein Training geschaffen, um den Bauern ertragreichen Anbau beizubringen. Doch das hilft nur Großbauern — und BASF selbst. Weiterlesen.
Abb.: © MEV-Verlag