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Postnatale Spätabtreibung in Wichita
1. Juni 2009
Eigentlich wollte ich über ein ganz anderes Thema schreiben. Aber da ist mir eine aktuelle Meldung dazwischengekommen:
»Tiller the Killer« ist tot
Spätabtreibungsarzt erliegt sehr, sehr später Spätabtreibung
Dr. George Tiller, ein auf Spätabtreibungen spezialisierter Abtreibungsarzt in Wichita, der laut Eigenwerbung über sechzigtausend Kinder abgetrieben hat, davon über zehntausend Spätabtreibungen, wurde gestern in seiner Kirche erschossen. Die Kirche allein ist einen Blick wert, hat sie doch solch witzige Dienstzweige wie »Golfers for God« oder »Womans Night out«, wo erwachsene Frauen dazu angeleitet werden, sich in Kneipen herumzutreiben — alles ganz streng zum Spaß und für das Werk des Herrn natürlich, es fragt sich nur, welches Herrn. Da kann es dann auch nicht verwundern, daß Tiller ein besonders perfides System aufbauen konnte, indem er seinen mörderischen Praktiken einen »geistlichen« Überbau verpaßte.
So hatte er in seiner Abtreibungsklinik extra »Geistliche« beschäftigt, die die Mütter seelsorgerlich begleiteten. Abgetriebene Kinder wurden zeremoniell begraben und wohl sogar post mortem »getauft«, wie man Referenzschreiben entnehmen kann.
Um Spätabtreibungen zu rechtfertigen, wurden nach Aussagen einer vormaligen Angestellten selbst medizinische Aufzeichnungen gefälscht und das tatsächliche Alter des Kindes trickreich »korrigiert«. Auch Mütter wurden über das tatsächliche Alter ihrer Kinder belogen. Eine Spätabtreibung wurde durchgeführt, nur weil die Mutter zu einem Rockkonzert gehen wollte, was selbst für das extrem liberale Abtreibungsrecht in Kansas nicht gerade ein ausreichender Grund ist.
Seiner Kirche fällt jetzt auf einmal in einer Stellungnahme zu dem Vorfall ein, daß »Gewalt gegen ein anderes menschliches Wesen kein akzeptabler Weg ist, um Differenzen auszuräumen« und empfiehlt stattdessen »friedliche Diskussion«. Zu dumm, daß all diejenigen, die noch nicht zu solch friedlicher Diskussion in der Lage, weil sie zu jung dafür waren, doch zum Objekt ebensolcher tödlicher »Gewalt gegen andere menschliche Wesen« durch Tiller wurden, aber von einem Vorwurf gegen diesen, der dort sogar in die kirchliche Dienststruktur eingebunden war, liest man natürlich nichts. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wieviel antichristlichen und höchst lästerlichen Unfug man unter der Bezeichnung »Christentum« veranstalten darf, ohne daß Feuer vom Himmel fällt.
In einem Videobericht echauffiert sich eine Dame, wie »so etwas Böses [ausgerechnet] in seiner Kirche passieren konnte«, aber es hat offensichtlich zuvor niemanden gestört, daß »so etwas Böses« von einem Glied dieser Kirche regelmäßig und gewerbsmäßig verübt wurde. Vielleicht ist das ja auch nur schlichtes Unwissen darüber, was bei einer Spätabtreibung abläuft; jedes der umgebrachten Kinder hätte sich wohl (relativ) glücklich geschätzt, einen so leichten und zügigen Tod gehabt zu haben wie Herr Tiller, der mit nur einem Schuß getötet wurde. Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal an Gianna Jessen, die nach achtzehn Stunden Todeskampf in konzentrierter Salzlösung ihre eigene Abtreibung mit schweren Behinderungen überlebte — wiewohl es zwischenzeitlich noch weit grausamere Spätabtreibungsmethoden gab. Amerika hat ja die besonders barbarische »Teilgeburtsabtreibung« hervorgebracht, die auf der Rechtsfiktion beruht, daß der Fötus sich in der Entscheidungsgewalt der Mutter befände, solange sein Kopf die Mutter nicht verlassen hat. Aus diesem Grund wurde die Geburt mit weheneinleitenden Mitteln eingeleitet, das Kind im Mutterleib ggf. gedreht und an den Beinen bis zum Hals herausgezogen. Dem Kind wurde dann das Hirn punktiert und ausgesaugt, so daß es starb. Dann wurde es ganz herausgezogen. 2003, unter George Bush, wurde dies endlich durch Bundesgesetz verboten.
Ich bin ja gegen jegliche Abtreibungen, auch gegen solche postnatalen wie die an Tiller. Aber insgesamt kann man sagen, daß Tiller zwar einerseits extrem spät, im Vergleich zu seinen jungen Patienten jedoch auch verhältnismäßig schonend und schmerzarm abgetrieben worden ist.
In Deutschland hat es hingegen letztens einen Prozeß gegen eine Kindsmörderin gegeben, aber auch nur deshalb, weil das Kind schon eine ganze Weile geboren war, und selbst die F.A.Z. weist, wenn auch dezent in einem Schlußsatz, darauf hin, daß vor- und nachgeburtlicher Lebensschutz in Deutschland nicht gerade in harmonischem Gleichgewicht sind.
In einem Leserkommentar dazu erklärt eine Frau, daß sie der Meinung sei, es »sollte jede Frau das für sich selbst entscheiden dürfen in den ersten 12 Wochen«. Damit zeigt sie, mit welch absurden Verdrehungen in dieser Frage »argumentiert« wird. Denn die Frau entscheidet ja in dieser Frage gerade nicht für sich selbst, sondern für und über ihr Kind. Diesem spricht die Leserbriefschreiberin mit ihrem verdrehten Satz sowohl Persönlichkeits- als auch Lebensrecht ab.
Im März 2008 wurde ein Düsseldorfer Hausbesitzer wegen Mordes zu lebenslanger Haft bei Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt, der in seinem Haus eine Gasexplosion verursacht hatte, um die Mieter loszuwerden. Er wollte das Haus sanieren. Allerdings ist es in unserem Wertesystem regelmäßig nicht vorgesehen, daß man als Hausbesitzer mit der Begründung »Mein Haus gehört mir!« Mieter sprengen darf, wenn diese nicht in das wirtschaftliche Konzept passen. Die Freiheit des Hausbesitzers findet ihre Grenze dort, wo sie in das Lebensrecht anderer — also der Mieter — eingreift. Aber es gilt als selbstverständlich, daß mit Verweis auf den feministischen Schlachtruf »Mein Bauch gehört mir!« in Deutschland täglich Hunderte Kinder lebend in Stücke gerissen werden, weil sie nicht in die Lebensplanung der Eltern passen. Daß diese Kinder genausowenig Bestandteil des Bauches der Mutter sind wie ein Mieter Bestandteil eines Wohnhauses ist, scheint die Beteiligten nicht zu stören. Soviel zum Thema »für sich selbst entscheiden«.
Nachtrag: Obencitierte Leserbriefschreiberin hat noch einmal nachgelegt: »Wissen Sie eigentlich was es in einem Kind auslöst, von der Mutter nicht gewollt zu sein? Das ganze Leben sich die Frage stellen zu müssen, warum wollte meine Mutter mich nicht!? … Zum Glück gibt es heute diese Selbststimmung! Und wir leben nicht mehr in Steinzeit!«
Mal abgesehen davon, daß sich mir nicht erschließt, daß in einer Situation, in der die Mutter ihr Kind nicht will, ausgerechnet das Kind bestraft wird und nicht die Mutter: Die Ansicht ist natürlich hochgradig cynisch, daß Menschen, die keine optimalen Lebensbedingungen vorfinden, besser tot sein sollten. Mit dieser Argumentationsweise kann man auch Euthanasie rechtfertigen: Wissen Sie denn, was es in einem Menschen auslöst … chronisch krank zu sein, arbeitslos zu sein, arm zu sein, vom Ehepartner betrogen zu werden, ein Kind zu verlieren, obdachlos zu werden — soll man etwa all die Enttäuschten und Benachteiligten umbringen? Und wo zieht man die Grenze für Leute, die vorsorglich umzubringen sind, damit sie nicht in enttäuschenden Lebensumständen aufwachsen müssen? Reicht es, wenn die Eltern sich keinen Porsche leisten können, keine Finca im Süden oder nur einen Auslandsurlaub im Jahr?
Mir fällt mal wieder Reagan dazu ein: »I've noticed that everybody that is for abortion has already been born.«