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Am Schalter
26. Januar 2010
Mehrfach wurde mir in letzter Zeit von solchen, die ich mahnen mußte, Recht zu üben, vorgehalten, daß ich ihre Einflußmöglichkeiten in jeweiliger Angelegenheit nicht überschätzen solle. Das tue ich auch nicht. Aber jeder von uns kann an seinem Platz allein dadurch einen Unterschied bewirken, daß er sich gerecht (im biblischen Sinne, also in den Grenzen der »Furcht Jahwehs« und seinem Wort gemäß) verhält. Was Gott dadurch bewirkt, ist dann seine Sache, aber jeder hat die Verantwortung, sich seinem (manchmal gering erscheinenden) Anteil nicht zu verweigern.
Noah konnte weder eine Flut bewirken noch die Welt retten, aber er konnte Bäume fällen und ein Schiff bauen und er konnte den Hohn der Nachbarn tragen. Den Rest tat Gott. Alles, was Noah beizutragen hatte, war (tätige) Treue (Hebr. 1, 7).
Auch Mose war nicht in der Lage, das Meer zu teilen, aber er konnte seine Hand darüber ausstrecken (2. Mose 14, 16). Den Rest bewirkte Gott. Niemand anderes als Mose hätte in diesem Moment den Schalter betätigen können. Er war an diesen Platz gestellt und war in diesem Moment verantwortlich dafür, seinen kleinen Beitrag zu leisten. Das Schicksal des Volkes hing davon ab, ob Mose seinen Arm ausstrecken würde oder nicht.
Unser Verhalten hat sehr oft eine schaltende Funktion. Das Umlegen des Schalters setzt in seiner Konsequenz Kräfte frei, über die wir selbst nicht verfügen würden — sowohl zum Guten hin als auch zum Bösen. Wenn wir aber den Schalter nicht umlegen, werden diese Kräfte auch nicht in Bewegung gesetzt. Hätte Mose nicht im Glauben den Stab über das Schilfmeer gestreckt, hätte Gott dieses nicht geteilt. Gott hat Mose an den Schalter gestellt und auf ihn gewartet.
Was für Einflußmöglichkeiten hatte Daniel in Babel? Faktisch keine. Er hat sich einfach nur in Treue geweigert, die Speise des Königs zu essen, und nachdem er diesen Schalter umgelegt hatte, tat Gott alles weitere (Daniel 1, 8).
Was für Einflußmöglichkeiten hatte Joseph schon als Sklave? Aber er weigerte sich, seinen Herrn zu hintergehen (1. Mose 39). Die Verwicklungen, die sich daraus ergeben würden, konnte er unmöglich vorher abschätzen. Aber er hat den Schalter in die richtige Richtung umgelegt, der Rest war Gottes Angelegenheit: Joseph wurde zum Herrn über die ägyptische Volkswirtschaft und zum Retter seines Volkes. Wer im geringsten treu ist, wird über vieles gesetzt werden (Luk. 19, 17).
Was hat Joseph in dieser Situation gehalten? Es war die »Furcht des Herrn«, die »eine Quelle des Lebens ist, um die Schlingen des Todes zu meiden« (Spr. 14, 27) und so als Notbremse — eine Sonderform des Schalters — wirkt. Joseph entgegnet dem Weib des Potiphar: »Wie sollte ich dieses große Böse tun und verfehlen gegen Elohim?«. Das Bewußtsein, sich vor Gott für sein Tun verantworten zu müssen, hat ihn davor bewahrt, den falschen Schalter umzulegen (1. M. 39, 9). Die Furcht des Herrn bewirkt rechtmäßiges Verhalten, indem sie uns vor Augen stellt, welche Grenzüberschreitung Gott gegenüber die Verfehlung wäre und sie kann, wenn wir auf unser Gewissen hören, selbst dort ein Schutz sein, wo unsere Erkenntnis noch unvollständig ist. Das Gewissen vermeldet uns, daß man bestimmte Dinge »einfach nicht tut«.
So weigerten sich zum Beispiel auch die hebräischen Hebammen in Mizrajim (Ägypten), die neugeborenen Jungen zu töten, weil sie Gott fürchteten (2. Mose 1, 17).
An Daniel, Joseph und den Hebammen sehen wir, daß richtiges »Schalten« auch darin bestehen kann, etwas gerade nicht zu tun. Auch dadurch werden Weichen gestellt. Als das Weib Adams im Garten sah, daß es gut wäre, von der Frucht zu essen, die ihr doch verboten war, und das Angebot der Schlange annahm, hat sie auch einen Schalter umgelegt — mit verhängnisvollen Folgen bis zum heutigen Tag (1. Mose 3). Dabei hatte Gott mehrere Sicherungen eingebaut: Sie hätte gleich nein sagen können mit Verweis auf das Gebot; sie hätte auch Adam, ihr Haupt fragen können, ob die Sache denn rechtens sei, statt eigenmächtig vollendete Tatsachen zu schaffen, aber auch das hat sie vermieden. Um überhaupt an diesen falschen Schalter heranzukommen, mußte sie mindestens zwei Sicherungen überbrücken. Die Älteren kennen vielleicht noch die altmodischen Schmelzsicherungen, die bei Überlastung des Stromnetzes durchbrannten und ersetzt werden mußten. Das konnte, wenn man häufig an der Lastgrenze war, schon ganz schön lästig sein. Wer sich nun deswegen dazu verleiten ließ, die Sicherung mit einem Kupfernagel zu überbrücken, hatte zwar Ruhe, riskierte aber, daß das ganze Haus abbrennen konnte. So eine überbrückte Sicherung ist wie ein Gewissen, das verschorft ist, weil es ständig übergangen wird; dieses geht einem dann zwar nicht mehr auf die Nerven, man riskiert aber sein Leben.
Wenn David als König mitten im Krieg nicht in Jerusalem gewesen wäre sondern an der Front, wo sein Platz als oberster Feldherr gewesen wäre (1. Sam. 11), hätte er Bathseba gar nicht zu Gesicht bekommen. Indem er nicht an seinem Platz war, hatte er einen Schalter falsch umgelegt und dadurch die folgenden Verfehlungen in Gang gesetzt. Aber auch wenn Bathseba als anständige Frau berücksichtigt hätte, von wo überall ihre Badestelle einzusehen war und entsprechende Vorkehrungen getroffen hätte, wäre die Situation nie zustandegekommen, die sie zu Fall brachte. Nur dadurch, daß beide den falschen Schalter umlegten, konnte die Verfehlung sich entfalten (wer im Physik-Unterricht aufgepaßt hat, erinnert sich vielleicht noch an die Und-Schaltung, die den Strom nur fließen läßt, wenn beide Schalter geschlossen werden). Es gibt sehr häufig Situationen, die Gott dadurch abgesichert hat, daß sie nur dann schiefgehen können, wenn mehrere Beteiligte falsch schalten. Bei David und Bathseba ist das offensichtlich: Zum Ehebruch gehören normalerweise zwei.
Photo: © Geier