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Die Beseitigung der Fundamente · Teil 1


By Geier - Posted on 12 März 2011

12. März 2011

 

Wenn die Fundamente zerstört werden, was kann dann der Gerechte noch bewirken?

Ps. 11, 3

Vor knapp zwei Jahren hat die Stadt Köln beim Einsturz ihres Stadtarchivs auf die harte Tour lernen müssen, was passiert, wenn die Fundamente eines Gebäudes nicht ausreichend gesichert werden. Das größte deutsche Kommunalarchiv mit siebenundzwanzig Regalkilometern Archivgut aus dem Mittelalter bis hin zur Moderne, seit Jahrhunderten von kriegsbedingten Verlusten verschont geblieben, wurde in einem Augenblick in Schutt und Schlamm begraben, weil die Fundamente infolge von Bauarbeiten in der Nachbarschaft unterspült worden waren. Seitdem wird mit riesigem Aufwand und bescheidenem Erfolg versucht, wenigstens einen Teil der Archivalien zu retten. Man schätzt, daß ein Restaurator auf sechstausend Jahre damit beschäftigt wäre, die Stücke wiederherzustellen, die geborgen werden konnten, also kaum länger als seit der Erschaffung der Welt bis heute.

So wie der beste Restaurator also nicht mehr viel ausrichten kann, wenn die Fundamente vernachlässigt wurden, gibt es offensichtlich auch im geistlichen Bereich den Fall, wo der Gerechte nichts mehr bewirken kann, weil die Fundamente so stark erodiert sind, daß nur noch die Aussicht auf den Einsturz verbleibt: die Erwartung des Gerichtes.

 

Die Zerstörung der Fundamente: Sprache, Denken und Klarheit der Begriffe

In dem lesenswerten Artikel »Immer schneller, immer dümmer«, erschienen in der »factum« 1/2011, beschreibt Thomas Lachenmaier, wie die Verwahrlosung der Sprache zu einer Verwahrlosung des Denkens führt. Er spricht über Primitivisierung von Sprache, schwindende Sprachdisziplin und die gewollte, systematische Achtlosigkeit, die für viele Benutzer moderner elektronischer Kommunikationsmittel zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Hierdurch gehen aber sprachliche Differenzierungsmöglichkeiten verloren, wodurch wiederum das Erkenntnis- und Unterscheidungsvermögen beeinträchtigt wird: Da unser Denken engstens mit unseren sprachlichen Fähigkeiten verknüpft ist, führt Sprachschlamperei zur allmählichen Verblödung.

Ich hatte mir ja in meinem Artikel über Bibelübersetzungen bereits erlaubt, Konfuzius zu zitieren, weil er auf der menschlichen Ebene dieses geistliche Problem zutreffend umreißt:

»Wenn die Worte nicht stimmen, dann ist das, was gesagt wird, nicht das Gemeinte. Wenn das, was gesagt wird, nicht das Gemeinte ist, dann sind auch die Taten nicht in Ordnung. Sind die Taten nicht in Ordnung, so verderben die Sitten. Verderben die Sitten, so wird die Justiz überfordert. Wird die Justiz überfordert, so weiß das Volk nicht, wohin es sich wenden soll. Deshalb achte man darauf, daß die Worte stimmen. Das ist das Wichtigste von allem.« 

Aber selbstverständlich kann Konfuzius hier nur zur Illustration dienen; für eine saubere biblische Herleitung sei die Ermahnung von Paulos angeführt, der zum Thema »klare Worte« schreibt, daß wir »ein Muster (einen Typus) gesundseiender Worte haben« sollen (2. Tim. 1, 13). Nun macht ein scharfer Verstand noch lange keinen geistlichen Menschen, ein Volk aber, dessen Denken degeneriert, ist nur noch für einfache, verkürzte Wahrheiten zugänglich und dadurch auch leichter zu verführen.

Zu diesem Problembereich gehört im weiteren Sinne auch der zunehmende Analphabetismus in Deutschland: Einer aktuellen Studie der Universität Hamburg zufolge verfügen 7,5 Millionen Erwachsene in Deutschland nicht über ausreichende Kenntnisse in den grundlegenden Civilisationstechniken Lesen und Schreiben und zählen als »funktionale Analphabeten«. Dies ist eine menschliche Tragödie, ein soziales und wirtschaftliches Problem, aber auch ein geistliches, da hier einem Millionenheer der eigenständige Zugang zur Bibel verwehrt ist.

Unter denen aber, die durchaus des Lesens mächtig sind, ist die unheilvolle Tendenz verbreitet, sich professionelle Ausleger des Wortes Gottes zu halten — ein Ausdruck des Unwillens (und der mittelbar aus diesem Unwillen resultierenden Unfähigkeit), selbst das eigene Denken am Wort Gottes zu schärfen und daran zu wachsen, daß man die Ergebnisse dieses Prozesses mit anderen teilt. So hat die Denkfaulheit, die es ja auch schon weit vor der Erfindung elektronischer Kommunikation gegeben hat, dazu geführt, daß wir heute Gemeindestrukturen vorfinden, die mit ihrer strikten Teilung in Aktive und Zuschauer an Theateraufführungen erinnern, nicht aber an die lebendige Manifestation des Leibes des Christos, wie sie im Neuen Testament beschrieben ist.

Die Zerstörung der Klarheit des Denkens ist eng mit der Zerstörung der Schärfe der Begriffe verbunden. Es fällt auf, daß geistliche Schlüsselbegriffe heute mit einem völlig anderen Inhalt benutzt werden als in der Bibel. Über bestimmte geistliche Sachverhalte kann man heute unmöglich lehren, ohne zuvor ausführliche Begriffserklärung und -abgrenzung zu betreiben. Man nehme nur Begriffe wie »Gemeinde« oder »Hirte«. Reflexartig werden heute die Aussagen der neutestamentlichen Schriften zur Herausgerufenen[G] oder zum Hirtendienst auf moderne denominationelle Strukturen und Ämter projiziert, was zu katastrophalen Fehldeutungen der Schrift führt. Deshalb reiten so viele Christen in Bezug auf Gemeindestrukturen tote Pferde: Sie meinen, von diesen nicht absteigen zu dürfen, weil Gott doch die Gemeinde gesegnet habe, weil sie doch der Leib des Christos sei, weil man die Versammlungen nicht verlassen soll. Das sind alles richtige Zusagen bzw. Anweisungen Gottes, nur beziehen sie sich eben gerade nicht auf unsere selbstgebastelten Denominationen[G].

Ein weiteres Beispiel für die Verdrehung der Wortinhalte ist der Begriff »Tag des Herrn«, der von der überwiegenden Mehrheit der Christen in einem völlig anderen Zusammenhang gebraucht wird als in der Bibel. Der Terminus »Tag des Herrn« bzw. »Tag Jahwehs« ist ja durchaus biblisch, benutzt wird er jedoch sowohl in den Schriften des Alten wie auch des Neuen Bundes ausschließlich für den kommenden Tag des Gerichts. Aus unerfindlichen Gründen ist dies aber nahezu unbekannt. Der heute hauptsächlich übliche Gebrauch des Begriffes als Synonym für einen Wochen- oder Feiertag ist lediglich kirchlich-traditionell begründet und hat nicht den geringsten biblischen Bezug. Amos warnt sogar ausdrücklich davor, diesen »Tag Jahwehs« als Festtag mißzuverstehen und stellt fest, daß der Tag Jahwehs Finsternis sein wird und nicht Licht (Am. 5, 18 — 23; vgl. auch diese Broschur, S. 19f).

 

Die Zerstörung der Fundamente: Das Wort Gottes

Im Artikel über Tradition hatte ich dargestellt, wie die Auswirkungen des Wortes Gottes in unserem Leben blockiert werden können. Aber auch das Wort selbst wird angegriffen: Einigermaßen bekannt ist zum Beispiel der üble Trick, mit dem sich die Großkirchen des zweiten Gebotes (2. M. 20, 4) entledigt haben, das es verbietet, religiöse Bilder zu verfertigen. In katholischen Katechismen, aber auch im »Kleinen Katechismus Doktor Martin Luthers« fehlt es: Ersatzlos gestrichen. Um wieder auf zehn Gebote zu kommen, wurde das zehnte einfach in zwei Gebote aufgeteilt.

Klassisches Schlachtfeld für Angriffe auf das Wort Gottes sind die Bibelübersetzungen. Ein Beispiel für Textverfälschung durch Übersetzung hatte ich ja bereits im letzten Sommer erläutert. Vor ein paar Tagen nun bin ich mit einigen Brüdern auf die grausige Geschichte der Nebenfrau eines Leviten gestoßen (Richter 19), die wegläuft, von ihm zurückgeholt und auf der Heimreise von Gibeahnitern vergewaltigt wurde, was zum Anlaß eines blutigen Bruderkrieges wurde. Während hier z. B. in der Alten Elberfelder Übersetzung noch grundtextrichtig als Hurerei benannt wird, daß sie sich der Hauptschaft ihres Mannes entzog und sich unter die Hauptschaft ihres Vaters flüchtete, die ja durch die Eheschließung erloschen war, fehlt in revidierten Ausgaben dieser Hinweis: Hier ist nur noch davon die Rede, daß »sie wütend auf ihn war«, während der Hinweis auf ihre Hurerei in eine Fußnote verbannt wurde. In einigen Ausgaben fehlen die Fußnoten aber, so daß der richtige Text hier für den Leser überhaupt nicht mehr zu erkennen ist. Dort entsteht dann der Eindruck, daß die folgenden verhängnisvollen Ereignisse nicht Folge ihrer Hurerei waren, sondern von nicht näher bezeichneten ehelichen Zwistigkeiten. Die Geschichte, die im Grundtext mit der Nebenfrau als Täterin beginnt, stellt diese in der entstellten Übersetzung nur noch als tragisches Opfer dar. Das ist gerade so, als würde man von Absaloms Ende lesen, ohne etwas über seine rebellische Vorgeschichte zu wissen, die ihn folgerichtig dorthingeführt hat — man könnte dann das Gericht Gottes an ihm stattdessen nur noch als zufälligen und tragischen Reitunfall mit Todesfolge mißverstehen! So wird das Wort durch verfälschende Übersetzung seiner Klarheit und Folgerichtigkeit beraubt. Die Revisoren der Lutherübersetzung haben Richter 19 übrigens in der gleichen Weise umgearbeitet. Ist das Zufall, oder hat hier der Zeitgeist Pate gestanden, der sich Frauen nur noch als Opfer, in keinem Falle aber als Täter vorstellen kann? Aus der, die »gegen ihren Mann hurte« wird die, welche »auf ihn wütend war« — und dafür, so sagt sich der durchschnittliche moderne Leser, wird sie wohl schon irgendeinen Grund gehabt haben!

Es sind solche Angriffe auf das Wort Gottes durch »angepaßte« Übersetzungen aber durchaus keine Einzelfälle, sondern ein außerordentlich verbreitetes Problem.

 

 

Die Beseitigung der Fundamente · Teil 2

Die Beseitigung der Fundamente · Teil 3

 

 


 

 

 

 

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